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Asiens Gipfeltreffen für Sicherheitspolitik

Rodion Ebbighausen4. Juni 2012

Führende Politiker aus Asien, Amerika und Europa haben in Singapur über Stabilität, Sicherheit und Dialog in Asien beraten. Bezahlt wurde die Veranstaltung allerdings von Rüstungskonzernen.

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A MiG-35 Russian multi-purpose jet fighter performs a demonstration flight at the MAKS-2011 international air show in Zhukovsky near Moscow.
Flugzeug MiG-35Bild: picture-alliance/dpa

Verteidigungsminister und Sicherheitsexperten trafen sich vom 1. bis 3. Juni zum elften Mal seit 2002 auf Einladung des Internationalen Instituts für Strategische Studien (IISS) im Shangri-La Hotel in Singapur. Die Konferenz hat sich zum zentralen Treffpunkt für Sicherheitsfragen der asiatisch-pazifischen Region entwickelt und ist nach Angaben des Veranstalters vergleichbar mit der internationalen Münchener Sicherheitskonferenz. Es geht, so das IISS, um "einen Dialog der Verteidigungsminister, der die Vertrauensbildung zwischen ihren militärischen Einrichtungen fördern und gleichzeitig die praktische Kooperation in Sicherheitsfragen unterstützen soll."

In diesem Jahr sind Vertreter aus 26 Nationen angereist. Neben den asiatischen Giganten Indien und China nahmen mehrere ost- und südostasiatische Nationen teil. Die verhandelten Themen reichten von Fragen zur Sicherung der Seewege über neue Formen der Kriegsführung im Internet bis zu Sicherheitsrisiken durch Drogenschmuggel und Terrorismus. Neben den Plenarsitzungen kam es, wie in den vergangenen Jahren, zu zahlreichen bilateralen und multilateralen Treffen von Verteidigungsministern, Sicherheitsexperten und Mitarbeitern von Rüstungsfirmen.

Geopolitik der Kooperation
Die Eröffnungsrede hielt Indonesiens Präsident Susilo Bambang Yudhoyono. Er forderte eine "Geopolitik der Kooperation". Diese bedürfe vor allem der Vernetzung, wie das Beispiel des Verbands südostasiatischer Nationen (ASEAN) zeige, eines starken Regionalismus und Nationalismus. Nur so könne ein dynamisches Gleichgewicht erzielt werden, das den Fortschritt der Nationen ohne Konfrontation erlaube. Des Weiteren sei eine neue strategische Kultur vonnöten, deren oberstes Ziel es sei, win-win-Szenarien herbeizuführen. "Die Geopolitik der Kooperation fördert den Wettbewerb der Nationen um Frieden und Fortschritt. Das ist eine win-win-Formel."

Indonesiens Präsident Yudhoyono mit Mikrophon (Foto: AP)
Hielt die Eröffnungsrede: Indonesiens Präsident Susilo Bambang YudhoyonoBild: AP

Am 2. Juni traf auch der amerikanische Verteidigungsminister Leon Panetta in Singapur ein. In seiner Rede machte er vor allem deutlich, dass die USA trotz der angespannten Haushaltslage ihr militärisches Engagement in der asiatisch-pazifischen Region ausbauen werden. Drei Prinzipien seien dabei für die USA leitend: internationales Recht, regionale Partnerschaften und militärische Präsenz. Nach einer ausführlichen Würdigung strategischer Partnerschaften etwa mit Japan, Südkorea und den Philippinen betonte Panetta, dass all diese Maßnahmen keine Bedrohung für China darstellten. Die USA seien an einem starken China, das sich international stärker engagiere, interessiert. Um allerdings keine Zweifel an der Schlagkraft der amerikanischen Streitkräfte aufkommen zu lassen, schloss Panetta seine Rede mit der Aufzählung von militärischen Neuanschaffungen und Modernisierungen für die asiatisch-pazifischen Streitkräfte. "Wir waren hier, wir sind hier und wir werden in Zukunft hier sein."
Weder die Reden noch das Gipfeltreffen insgesamt brachten konkrete Ergebnisse. Christian Le Miere vom IISS macht das am Beispiel der Streitigkeiten über das Seerecht deutlich. Zwar hätten sich alle Teilnehmer für das internationale UN-Seerechtsübereinkommen (UNCLOS) ausgesprochen, das unter anderem Rechte und Pflichten von Küstenstaaten festschreibt. Es sei aber schnell klar geworden, dass "hinter der Fassade der Zustimmung viel Spielraum für eigene Meinung liegt."

Portrait Leon Panetta, US-Verteidigungsminister (Foto: Reuters)
US-Verteidigungsminister Leon Panetta: "Wir bleiben in Asien"Bild: Reuters

Rüstungsfirmen auf Kundensuche

Von den nicht asiatischen Nationen waren vor allem die großen Waffenexportnationen vertreten: die USA (Platz 1 der waffenexportierenden Nationen nach den Daten des Stockholmer Instituts für Internationale Friedensforschung (SIPRI)), Russland (Platz 2), Deutschland (Platz 3), Frankreich (Platz 4) und England (Platz 5).

Die amerikanische Unternehmensberatung Frost & Sullivan rechnet bei den Neuausgaben für Rüstung in Asien-Pazifik mit einem durchschnittlichen Wachstum von jährlich 4,2 Prozent. Tim Huxley, geschäftsführender Direktor des IISS in Asien, sagte kürzlich gegenüber der Nachrichtengruppe Bloomberg: "Steigende Einnahmen der Regierungen bedeuten oft, dass mehr Geld für die Verteidigung ausgegeben wird. Viele Regionen Asiens oder Regierungen haben Gründe, sich unsicher zu fühlen."

Angst ist ein schlechter Ratgeber

Der südafrikanische Politiker und Journalist Andrew Feinstein gibt daher im Interview mit der Deutschen Welle zu bedenken: "Die IISS wird überwiegend von den großen Waffenproduzenten gefördert." Das diesjährige Treffen sponsern unter anderem Boeing, Mitsubishi, EADS und Singapore Technologies Engineering - Konzerne, die einen erheblichen Anteil ihres Umsatzes mit dem Verkauf von Waffen erwirtschaften. Jim Albaugh, ehemaliger Chef von Boeings Verteidigungs- und Sicherheitssparte, gab 2009 zu Protokoll: "Ich bin die letzten sieben Jahre zum Shangri-La Gipfel gekommen und es wird von Jahr zu Jahr besser. Es ist eine Gelegenheit, unseren Kunden zuzuhören, ihre Befürchtungen zu erfahren und zu überlegen, wie wir ihre Bedürfnisse in der Zukunft befriedigen können."

Zwei Flugzeuge der US-Airforce über brauner Wüstenlandschaft Afghanistans (U.S. Air Force photo/Master Sgt. Andy Dunaway)
Boeings überschallschneller Langstrecken-Bomber, mit Tankflieger über AfghanistanBild: picture alliance/dpa

"Wenn man Sponsoren wie diese hat, dann unterstützt selbst ein Treffen hochrangiger Regierungsbeamter den globalen Waffenhandel", sagt Feinstein. Denn derartige Konferenzen zeichneten ein Bild, auf dem die Welt ein unsicherer Ort voller Angst und Gefahren sei. In der Konsequenz würden mehr Waffen gekauft, um vorgeblich mehr Sicherheit zu erzielen. Feinstein betont: "Ich sage nicht, dass es keine Konflikte gibt. Aber ich glaube, dass all diese Sicherheitskonferenzen sich nicht mit den wahren Gründen befassen." Um mehr Sicherheit und Stabilität zu erreichen, seien andere Lösungen als die Produktion und der Verkauf von Waffen gefordert. "Globale Stabilität erfordert mehr Demokratisierung, mehr Verantwortung und mehr Ehrlichkeit", so Feinstein abschließend.

In Feinsteins Augen ist die Namenswahl "Shangri-La Dialogue" zynisch. Shangri-La ist der Legende nach ein sagenumwobenes Land im Herzen des Himalayas. In Abgeschiedenheit leben seine Bewohner ohne Eile und fern jeglicher Zivilisation. Unter ihnen herrscht die Vorstellung, dass die Welt bald untergehen wird und sie zu den wenigen gehören, die verschont werden.