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Ashcrofts Idee

Udo Bauer, Washington12. April 2004

Frage: Was hat der aalglatte Auftritt der US-Sicherheitsberaterin vor einem Kongressausschuss mit der Busenaffäre von Janet Jackson gemeinsam? Antwort: Beiden fehlte Witz. Oder?

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"Saturday Night Live" ist die Mutter aller Comedy-Sendungen. Seit mehr als 28 Jahren beschert die Show dem US-Sender NBC jeden Samstag Traum-Einschaltquoten und nicht zuletzt Schlagzeilen. Denn die Witze und Sketche aus "Saturday Night Live" bieten Gesprächsstoff über das Wochenende hinaus. So auch jetzt. Wenige Tage nach dem als Mediensensation angekündigten und tatsächlich megalangweiligen Auftritt von Condoleezza Rice vor dem Untersuchungsausschuss zum 11.

September saß sie plötzlich wieder da, die zierliche, dunkelhäutige Frau mit der niedlichen Zahnlücke. Erst die Nahaufnahme enthüllte, dass es sich nicht um die Sicherheitsberaterin des US-Präsidenten handelte (Spitzname: "Die stählerne Magnolie"), sondern um Janet Jackson, deren barbusiger Superbowl-Auftritt vor zwei Monaten immer noch die Gemüter der Konservativen in Amerika erregt.

Unkenntlich gemacht

Die Szene zeigt "Condi" im konspirativen Gespräch mit Vizepräsident Richard Cheney (gespielt von US-Komiker Darrell Hammond) vor ihrer eidesstattlichen Aussage. Cheney macht den Vorschlag, dass Condi doch einmal während ihrer Aussage kurz ihre Brust entblößen solle: "Nur ein Scheinwerfer, ganz kurz!" Das habe zwei Sachen zur Folge, so Cheney, es besänftige die Linken und lenke die Presse ab. "Ich garantiere Dir, das kommt in die Schlagzeilen, nicht das Ding mit bin Laden!" Aber Condi protestiert: "Ich bin ja nicht prüde, aber diese Anhörung ist wirklich nicht das geeignete Forum für ein solch unanständiges Verhalten. Es gibt da andere Gelegenheiten, wie beispielsweise nationale Sportereignisse, wo so etwas in Ordnung ist." Cheney stimmt widerstrebend zu mit den Worten: "Das war Ashcrofts Idee." Schnitt. Condi sitzt vor dem Kongressausschuss, reißt sich die Bluse auf, wobei ihre Brust mit Pixeln digital unkenntlich gemacht ist und ruft: "Live from New York, it’s ‚Saturday Night’!"

Absurdes Theater

Das Ganze war nicht nur zum Brüllen komisch, es offenbarte auch die unnachahmbare Art und Weise, mit der die Show gleich mehrere öffentliche Ereignisse überdreht und dadurch ad absurdum führt: den bislang unbewiesenen Verdacht, dass die Bush-Regierung in Sachen 11. September etwas zu verbergen hat und die völlig überzogenen Reaktionen auf die entbloesste Brust von Janet Jackson, den so genannten Nipplegate-Skandal. Denn dem Jackson-Auftritt vor zwei Monaten folgten ungewöhnlich harsche Reaktionen der Medienkontrollbehörde FCC, deren jüngstes Opfer Radiomoderator Howard Stern wurde. Die Strafen für Verstöße gegen die Obszönitätsregeln wurden verzehnfacht, die Provokateure der Medienszene, die sich bisher in Nischen vor Verfolgung sicher wähnten, werden seither mundtot gemacht. All dies in einem 30-Sekunden-Sketch als absurdes Theater zu entlarven, dafür gibt es nur ein Wort: Genial!