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ASEAN - Bündnis mit wachsender Bedeutung

Die Fragen stellte Martin Schrader.10. März 2005

Wird das 21. Jahrhundert das Jahrhundert Asiens? Und welche Rolle wird das ASEAN-Bündnis darin spielen? Marco Bünte vom Hamburger Institut für Asienkunde gibt Antworten.

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Flagge der ASEAN-Staaten

DW-WORLD: Ende des 20. Jahrhunderts war die Rede davon, das 21. Jahrhunderts wird das Jahrhundert Asiens. Gilt diese Annahme noch?

Marco Bünte: Meines Erachtens gilt das nach wie vor, weil Asien die größte Wachstumsregion in der Welt ist. Man kann auch sagen, dass dort weiter das größte Wachstum zu verzeichnen sein wird und die größte Anzahl an Menschen leben wird. Und deshalb wird es das asiatische Jahrhundert werden. China wächst stark. ASEAN stellt sich richtig auf. Da sind große Potenziale vorhanden.

Wie sind die ASEAN-Staaten positioniert gegenüber China und Japan?

Auf der einen Seite wird China für einige [ASEAN-] Staaten immer mehr zur Konkurrenz. Staaten wie Indonesien verlieren Investitionen, die nach China wandern - beispielsweise im Bereich Textilverarbeitung. Deshalb ist China als Konkurrent gefürchtet. Gleichzeitig entdeckt die ASEAN, dass für sie eine große Chance in der Partnerschaft mit China besteht. Thailand kooperiert schon stark mit China, liefert nach China, und nutzt seine strategische Position aus, um von der chinesischen Nachfrage profitieren zu können. Es gibt also einerseits einen Wettbewerb von ASEAN mit China, andererseits den Versuch in strategische Nischen zu kommen und China zu beliefern.

Wie hat sich die ASEAN als Organisation entwickelt?

Die Organisation ist vorerst eine Sicherheitsgemeinschaft gewesen, die im Zuge des Vietnamkonflikts (1964-1975, Anm. d. Red.) gegründet wurde, und hat sich dann zunehmend in den 90-er Jahren zur Wirtschaftsgemeinschaft entwickelt, wo in lockerer institutioneller Form Absprachen getroffen und Kooperationen vereinbart wurden. Auf der einen Seite also ein politisches Motiv, das dann in den Hintergrund getreten ist; und andererseits die wirtschaftliche Funktion, die in den Vordergrund rückte. Beispielsweise hat man ja eine Freihandelszone im Jahr 2020 anvisiert.

Bei der politischen Zusammenarbeit geht man, anders als die EU, etwas lockerer vor, es gilt das. Konsens-Prinzip, und es gibt keine Abgabe von Souveränität oder Rechten auf die Institution selber, sondern es ist eher ein lockerer Verbund.

Seit den Anschlägen vom 11. September kommt der ASEAN auch Sicherheitsaspekte zu, hier werden seitdem Probleme der Terrorismus- und Gewaltbekämpfung, auch anderer Kriminalität wie Piraterie diskutiert. Die Organisation gewinnt dadurch auch eine wichtige Rolle für die regionale Sicherheit.

Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit der EU mit der ASEAN?

Die Zusammenarbeit ist in den letzten Jahren etwas ins Stocken geraten. Sie hängt immer - oder sehr häufig - an einem einzigen Problem, und das ist Myanmar. Myanmar ist seit 1997 Mitglied im ASEAN und seitdem gibt es immer wieder Kritik von der EU und Streitigkeiten zwischen den Partnern.

Aung San Suu Kyi
Aung San Suu KyiBild: AP

Myanmar hat 1988 eine Demokratiebewegung erlebt, die ist niedergeschlagen worden. Dann haben freie Wahlen stattgefunden, die allerdings von der Militär-Regierung nicht angenommen worden sind. Das heißt die Militär-Regierung ist an der Macht geblieben, obwohl die Wahlen die Oppositionspartei, die NLD, als Sieger hervorgebracht haben. Sie haben also eine Militär-Junta, die weiterhin jeden demokratischen Prozess verneint. Gleichzeitig haben wir ein großes Demokratie-Symbol, nämlich die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi. Sie hat in den letzten Jahren die meiste Zeit im Gefängnis gesessen, beziehungsweise unter Hausarrest gestanden, und ihr wird jegliche Teilnahme am politischen Prozess verwehrt.

Wie steht die EU dazu?

Das sind Sachen, die die EU - die sich ja auch als Werte-Gemeinschaft versteht - nicht akzeptieren kann. Sie fordert deshalb immer wieder, dass Myanmar die Nobelpreisträgerin freilässt und an den politischen Gesprächen beteiligt. Die EU hat ein Sanktionspaket gegen Myanmar erlassen und fordert die ASEAN auf, politische Veränderungen in Myanmar zu erreichen. ASEAN hält es hier dagegen mit dem Nichteinmischungsprinzip, d. h. sie will sich nicht in die inneren Angelegenheiten eines Mitgliedsstaates einmischen, weil die anderen Staaten Angst haben, dass sie selber irgendwann kritisiert werden könnten.

Wie reagiert Myanmar bisher?

Myanmar will sich demokratisieren; Myanmar ist ein Vielvölkerstaat, in dem viele ethnische Gruppen an einem Kompromiss arbeiten müssen, und die Militärregierung nimmt das als Anlass, die Demokratisierung nach hinten zu verschieben. Deshalb lässt sie es nicht zu, dass die Oppositionsführerin und Friedensnobelpreisträgerin an diesem Prozess teilnimmt. Sie ist im Land eine große Figur, die die Menschenmassen anzieht und deshalb eine Gefährdung für das Militär-Regime darstellt.

Lesen Sie weiter: Wie kann es zu einer Lösung in dem Konflikt kommen?

Wie kann es da zu einer Lösung kommen?

Nächstes Jahr, also 2006, wird Myanmar den ASEAN-Vorsitz übernehmen. Es wird dann viel, was die Außenbeziehungen der ASEAN angeht, über Myanmar laufen. Die EU wird sich nach meiner Einschätzung nicht mit Myanmar an einen Tisch setzen. Deswegen gibt es hier immer wieder Druck, dass dort etwas getan wird.

Wie steht es um den Wirtschaftsaustausch zwischen EU und ASEAN-Ländern?

Die wirtschaftlichen Beziehungen laufen auch so, sagt man oft. ASEAN ist als politische Brücke zu den Einzel-Märkten also weniger bedeutend. Wenn man die Wirtschaftsbeziehungen ankurbeln und unterstützen möchte, geht man auf die Staaten direkt zu. Das bringt sehr viel mehr, als mit der ASEAN.

In den vergangenen Jahren und vor allem 2004 sind verstärkt Freihandelsabkommen in der Region entstanden, muss man zudem wissen. Thailand hat beispielsweise mit Japan, Neuseeland, USA auch mit China Freihandelsabkommen geschlossen. Unternehmer in der EU und meines Wissens auch in Deutschland sehen diese Entwicklung mit Sorge. Sie haben Angst, dass sie dadurch Nachteile erleiden könnten, weil diese Abkommen andere Wettbewerber vielleicht bevorteilen würden. Es ist ein ganzes Netz an Freihandelsabkommen, das dort entsteht. Auch die Philippinen und Indonesien haben einige geschlossen. Japan und andere teilnehmende Länder, so die Argumentation, könnten dadurch besseren Zugang zu dem ASEAN-Markt gewinnen als Länder der EU, die nicht Teil dieser Abkommen sind. Dies könnte auf politischer Ebene begleitet werden. Die USA bemühen sich da bereits aktiv, auch Australien und Japan - nur die EU nicht. Es besteht die Gefahr, dass man darum auf diesem Markt an Boden verliert. Wir sind da politisch etwas langsamer als die Konkurrenz.

Dr. Marco Bünte ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Hamburger Institut für Asienkunde.