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Arthur Schnitzlers "Später Ruhm"

Jochen Kürten2. Juni 2014

Der Österreicher gilt als Autor feinfühliger Novellen und Stücke. Noch heute wird er viel gespielt. Seine Erzählungen gehören zum Literaturkanon. Überraschend ist jetzt eine bisher nie veröffentlichte Novelle erschienen.

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Arthur Schnitzler (Foto: picture alliance/Imagno/Archiv Setzer-Tschiedel)
Bild: picture alliance/Imagno/Archiv Setzer-Tschiedel

Ob das nun eine Sensation ist oder nicht - das deutsche Feuilleton ist sich da nicht ganz einig. Aber eine Überraschung war es schon, als der Zsolnay-Verlag in Wien vor kurzem ankündigte, im Mai 2014 eine "neue" Novelle Arthur Schnitzlers herausbringen zu wollen. Schnitzler ist ein großer Name der Literaturgeschichte, doch sein Tod liegt über 80 Jahre zurück, sein Werk galt als "abgeschlossen".

Frühe Vollendung

Jetzt liegt der Band, der den Titel "Später Ruhm" trägt, vor - und die Lektüre lohnt auf jeden Fall. Worum geht es? Auf 135 Seiten erzählt Arthur Schnitzler vom alternden und ergrauten Eduard Saxberger, der einst ein hoffnungsvoller Autor war, mit dem Prosaband "Wanderungen" auch ein erfolgreiches Buch veröffentlichen konnte, dann aber in Vergessenheit geriet. Saxberger schlug später, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, die Laufbahn eines Beamten ein. Er brachte nie mehr etwas Literarisches zu Papier.

Buchcover - Arthur Schnitzler: "Später Ruhm" (Foto: Zsolnay Verlag Wien)

Dann aber, und da setzt die Novelle ein, taucht ein junger Verehrer seines dichterischen Werkes auf. Dieser junge Mann gibt sich als Teilnehmer einer Gruppe junger Literaten zu erkennen, die sich täglich in einem Wiener Kaffeehaus trifft. Saxberger solle doch einmal vorbeischauen, auch seine Kollegen bewunderten dessen "Wanderungen", so der junge Mann. Der alte Mann fühlt sich geehrt und stößt zu dem Zirkel der Nachwuchsautoren.

Schreibblockade statt spätem Ruhm

Irgendwann wollen diese, sie nennen sich "Die Begeisterten", einen literarischen Abend veranstalten, auch Saxberger solle etwas beisteuern, einen neuen Text, so der Wunsch der dichtenden Jungspunde. Saxberger verspricht es. Doch ergreift den aus der Übung gekommenen Poeten eine massive Schreibblockade, und so nimmt das Dichter-Comeback kein gutes Ende. Zum Schluss verabschiedet sich Saxberger von den jungen Menschen, die sich mehr und mehr als Schaumschläger entpuppen und die des Dichters "Wanderungen" wohl auch nie gelesen haben.

Arthur Schitzler (Foto: Aura Hertwig)
Arthur Schnitzler, um 1910Bild: picture-alliance/akg-images

Arthur Schnitzler schrieb den Text bereits im Jahre 1894 - mit 32 Jahren. Er sollte ursprünglich als Fortsetzungserzählung in einer Zeitschrift erscheinen. Doch der Plan scheiterte, "Später Ruhm" verschwand im Archiv des Dichters. Auch nach Schnitzlers Tod im Jahre 1931 geriet die Erzählung in Vergessenheit. Von den Nazis wurden seine Werke verbrannt. Das Manuskript von "Später Ruhm" gelangte zusammen mit anderen Manuskripten in die Hände britischer Literaturwissenschaftler und schließlich zur Universität in Cambridge. Dort spürten es zwei Schnitzler-Forscher 2013 auf. Laut Verlagsangaben war es von Schnitzlers Sekretärin getippt und mit wenigen handschriftlichen Anmerkungen seines Sohnes versehen worden.

Psychologische Feinarbeit

Also vielleicht doch eine Sensation - ein Text eines sehr berühmten Dichters, der nach langer Zeit erstmals veröffentlicht wird? Auf jeden Fall kann man der Erzählung auch heute noch einiges abgewinnen. Die Charaktere sind, wie man es von Schnitzler kennt, ungeheuer vielfältig und psychologisch breit angelegt. Sowohl der alternde Poet Saxberger als auch dessen begeisterungsfähige jungen Kollegen werden dem Leser mit allerlei unterschiedlichen Facetten vorgestellt. Nicht umsonst hat Sigmund Freud damals Schnitzler als seinen "geistigen Bruder" bezeichnet.

Auch heute noch ein Treffpunkt der Literaten und Intellektuellen: Das Wiener Kaffehaus (Foto: Frank Baumgart pixel)
Auch heute noch ein Treffpunkt der Literaten und Intellektuellen: Das Wiener KaffehausBild: picture-alliance/dpa

"Später Ruhm" ist zudem durch seine milde Ironie, seinen manchmal aber auch beißenden Spott, seinen Blick auf die Fallstricke literarischen Lebens unbedingt lesenswert - und wohl auch höchst aktuell. Der Zwiespalt zwischen freiem Künstlertum und Brotberuf, aus dem der ergraute Saxberger ein Leben lang nicht hinausfindet, dieser Zwiespalt ist ein aktuelles Thema auch heute noch. So ist "Später Ruhm" eine der interessantesten literarischen Entdeckungen des Jahres 2014.

Arthur Schnitzer. Später Ruhm, mit einem Nachwort von Wilhelm Hemecker und David Österle, Paul Zsolnay Verlag Wien 2014, 158 Seiten, ISBN 978-3-552-05693-0.