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"Armut einmal hautnah erleben"

17. Juni 2003
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Da könnte es dem Besucher im wahrsten Sinne des Wortes die Schuhe ausziehen. "Armut einmal hautnah erleben" heißt das Motto der neuesten "Attraktion", mit der im US-Bundesstaat Georgia Besucher in einen Themenpark der besonderen Art gelockt werden. Wo sonst bunte Disneyfiguren, glitzernde Karussells oder Autoscooter die Besucher zum Zeitvertreib animieren, sind es jetzt schmuddelige Wellblechhütten und Strohunterkünfte – originalgetreu bis ins letzte Detail nachgebaut, laden sie neugierige Zeitgenossen zur Erlebnisreise durch die Welt des Elends ein. Das Erinnerungsbild für's Familienalbum, dann schnell weiter zur nächsten Attraktion. Vielleicht "Movie World" oder "Sea World" in Florida.

Erfinder des neuen Themenparks ist ein gewisser Millard Fuller, seines Zeichens auch Gründer der gemeinnützigen christlichen Wohnungsbaugesellschaft "Habitat for Humanity" (Wohnraum für die Menschheit). Mit 70.000 Slum-Besuchern kalkuliert er jährlich, verbunden natürlich mit der Hoffnung auf jede Menge Aufmerksamkeit und Spenden für die Armen – was der ungewöhnlichen Informations-Initiative offensichtlich einen hehren Anstrich verleihen soll. Gucken, staunen, kurze Betroffenheit – und dann schnell wieder weg: Armut wird zum Entertainment. Und das ausgerechnet in einem Bundesstaat, wo es der überwiegend schwarzen Bevölkerung ohnehin oft am Nötigsten fehlt. Armut verkommt zur Unterhaltung, und die Geschmacklosigkeit im Land der unbegrenzten Möglichkeiten hat einen neuerlichen Tiefpunkt erreicht.