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Armes Europa

Monika Lohmüller / (mas)20. September 2002

62 Millionen Menschen in der Europäischen Union sind arm. Mit der EU-Osterweiterung könnten Millionen weitere hinzu kommen, falls nichts getan wird, warnen Experten.

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Armut erniedrigtBild: Bilderbox

62 Millionen Arme sei eine enorme Zahl, kritisierte Ludo Horemans die offizielle Armuts-Statistik der EU. Horemans ist Präsident von "European Anti-Poverty Network", dem europäischen Armutsnetzwerk EAPN. Dem Verbund gehören 23 Nichtregierungsorganisationen und Netzwerke zur Armutsbekämpfung an. Das EAPN berichtete am Mittwoch (18.09.2002) in Berlin über die bedrohliche Lage der Armen in Europa. Als arm gilt jeder, der über weniger als die Hälfte des Durchschnittseinkommens des jeweiligen Landes verfügt.

Mangel an Rechten

Armut in Jugoslawien
In wirtschaftlich schwachen Ländern wie Jugoslawien ist Armut weit verbreitetBild: AP

Armut ist in der Europäischen Union zwar kein neues Thema, seit mehr als 25 Jahren wird innerhalb der EU über ihre Bekämpfung debattiert. Doch erst seit einigen Jahren haben sich die Mitgliedsländer das Ziel gesteckt, einen europäischen Aktionsplan gegen die Armut zu entwickeln. Darüber hinaus fordert das EAPN, den Armen mehr Rechte zu geben: ein Recht auf Arbeit, auf Wohnen, auf Grundsicherung und auf den Zugang zu sozialen und gesundheitlichen Diensten. Das erfordert laut Horemans aber, dass die europäische Grundrechte-Charta nachgebessert und letztlich in einer Europäischen Verfassung verankert wird.

Die nationalen Armutsberichte der EU-Länder zeigen, wie viele Gesichter die Armut hat. So ist die Armutsrate in Griechenland und Portugal besonders hoch, sie liegt dort über 20 Prozent. Dänemark, Finnland, Luxemburg und die Niederlande haben die niedrigsten Raten mit etwa 12 Prozent.

In Portugal und in Italien zeichneten sich zunehmend Einschnitte in den sozialen Sicherungssystemen ab, sagte Horemans. Er warnte, dass dieser Trend offenbar auch auf andere Staaten der EU übergreife. In einigen Mitgliedsstaaten seien gerade in letzter Zeit durch neue Regierungen die Sozialstandards drastisch reduziert worden. Dadurch solle offenbar die Entwicklung zu einem sozialeren Europa rückgängig gemacht werden.

Kinderarmut

In den meisten Ländern der EU sind kinderreiche Familien am stärksten von Armut betroffen. An der Spitze liegen Portugal und Spanien. In Großbritannien, Irland und in Deutschland tragen vor allem Alleinerziehende ein großes Risiko. Kinderarmut, so Erika Biehn von der Nationalen Armutskonferenz, sei auch in Deutschland ein wachsendes Problem. "Wir reden über fast drei Millionen Minderjährige", klagt sie. "Dabei sind doch gerade die Familien die entscheidende Sozialisations-Instanz für das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen." Nach Biehns Worten sei es in einer so reichen Gesellschaft wie der Bundesrepublik unhaltbar, dass jedes siebte Kind arm ist.

Besonders betroffen, so die Armuts-Aktivistin, seien ausländische Familien. Dies mache deutlich, dass die Armutsdiskussion auch eine Diskussion über Chancengleichheit sei. Die davon betroffene Gruppe, so Frau Biehn, sei in Gefahr gesellschaftlich ausgegrenzt zu werden.