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Arme Länder wachsen schneller

Helle Jeppesen12. August 2013

Im Jahr 2100 werden fast elf Milliarden Menschen auf der Erde leben, so die Schätzung der Vereinten Nationen. In den armen Ländern wächst die Bevölkerung besonders schnell. Eine problematische Entwicklung.

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RWA, 2008: Eine Gruppe afrikanischer Kinder klatscht in die Hände (FotoL picture alliance/WILDLIFE)
Bild: picture alliance/WILDLIFE

Bereits heute verbraucht die Menschheit mehr als die Hälfte der natürlich nachwachsenden Ressourcen. Der Druck wird weiter steigen, denn die Bevölkerungsexperten der Vereinten Nationen haben ihre Prognose für das Bevölkerungswachstum um 250 Millionen Menschen nach oben korrigiert. Demnach könnten bis Ende des Jahrhunderts fast elf Milliarden Menschen auf dem Planeten leben - heute sind es sieben.

Die Bevölkerung wird vor allem in den armen Ländern schneller wachsen. In Afrika südlich der Sahara vervierfacht sich die Bevölkerung bis zum Jahr 2100, so die aktuellen Prognosen des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA). Das liege vor allem daran, dass die Geburtenrate in gewissen Ländern nicht so stark gesunken sei, wie man das noch bei der letzten Prognose angenommen habe, erklärt Ute Stallmeister, Pressesprecherin der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung. "Der Zugang zu Aufklärung und Verhütung, also zu einer sinnvollen Familienplanung, ist nicht so vorangeschritten, wie man das gehofft hatte", sagt die studierte Politologin.

Zu viele und zu wenige Kinder

Jedes Jahr werden laut den Vereinten Nationen rund 80 Millionen Frauen in Entwicklungsländern ungewollt schwanger, weil sie keinen Zugang zu Verhütung und Aufklärung haben. Auf längere Sicht hat das schwerwiegende Konsequenzen: So gehen die Vereinten Nationen bei unverminderten Wachstumsraten sogar von einer Weltbevölkerung von 28,6 Milliarden Menschen im Jahr 2100 aus.

Ute Stallmeister, Pressesprecherin der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung
Besseren Zugang zu Verhütung und Aufklärung fordert Ute StallmeisterBild: Foto: Stiftung Weltbevölkerung

In den Industrieländern, so die Prognose, schrumpft die Bevölkerung weiter. In Deutschland werden schon Mitte des Jahrhunderts rund zehn Millionen weniger Menschen leben. "Wenn wir schon heute über Fachkräftemangel sprechen, brauchen wir definitiv Zuwanderung aus anderen Ländern", so Stallmeister im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Frieden für Armutsbekämpfung

Die Länder, die im aktuellen Bericht des UN-Bevölkerungsfonds am schnellsten wachsen werden, können bereits heute ihre Einwohner kaum ernähren. Weltweit werden Ressourcen wie Wasser, Energie und Nahrungsmittel knapper und teurer. Auch die Umweltzerstörung schreitet voran. Die gilt es zu stoppen, betont die Leiterin des UN-Entwicklungsprogramm (UNDP), Helen Clark im Gespräch mit der DW: "Wenn wir die Entwicklung der Menschen voranbringen und dabei alles um uns herum zerstören, dann schaffen wir nur ein neues Problem."

Als dringlichste Aufgaben nennt Clark die Anpassung an den Klimawandel, sozial und ökologisch nachhaltige Wirtschaftsstrukturen, bessere Regierungsführung und insbesondere Friedensbemühungen. "In den kommenden zwölf bis 15 Jahren werden wir sehen, dass sich Armut vor allem in Konfliktregionen hält, also in Ländern mit bewaffneter Gewalt, hoher Katastrophenanfälligkeit, schlechter Regierungsführung und fragilem Staatsgefüge", so Clark.

Äthiopien als Vorbild

Die Entwicklung der Menschen müsse nachhaltig sein und sowohl Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Entwicklung unter einen Hut bringen. Laut Clark ist das auch machbar: "Äthiopien will bis 2025 zu einem Land mit mittleren Einkommen aufsteigen und gleichzeitig CO2-neutral werden", sagt sie über die Entwicklungsstrategie eines der bevölkerungsreichsten Länder Afrikas. "Wenn eines der ärmsten Länder der Welt diesen Weg geht und dabei gleichzeitig umwelt- und ressourcenschonend die Entwicklung voranbringt, dann ist das ein Vorbild für alle Länder."

Helen Clark, Leiterin des UN Entwicklungsprogramm UNDP und ehemalige Premierministerin Neuseelands (Foto: DW/H. Jeppesen)
Entwicklung muss nachhaltig werden, sagt Helen ClarkBild: DW/H. Jeppesen

Vor allem aber müsse in den kommenden Jahrzehnten mehr in die Bildung für Frauen und Mädchen investiert werden, betont Clark: "Kein Land kann sein Potenzial ausschöpfen, wenn es nicht die Frauen und Mädchen miteinbezieht."

Jugend als Chance

Auch Ute Stallmeister von der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung sieht Bildung als Schlüsselaufgabe. Sie warnt davor, nur die negative Seite des Bevölkerungswachstum zu sehen: "Der hohe Anteil von jungen Menschen in diesen Ländern ist eine ganz große Chance", betont sie. "Die asiatischen Tigerstaaten haben das vorgemacht: Hier wurde zur richtigen Zeit in Bildung und in Jobs investiert. So können die jungen Menschen bereits ein Einkommen erwirtschaften und ihr Land nach vorne bringen", sagt Stallmeister. "Das erhofft man sich auch für Afrika. Man spricht sogar oft schon von dem Löwen vor dem Sprung."

Doch bevor der afrikanische Löwe springt, müsse dort vor allem das Bevölkerungswachstum angegangen werden, sagt Stallmeister: "Mädchen oder junge Frauen, die eine weiterführende Schule besucht haben, bekommen deutlich weniger Kinder als solche, die gar keine Schule besucht oder nur eine primäre Bildung genossen haben."

Schulmädchen in einer Klasse in Srinagar, Indien (Foto: AP)
Gut ausgebildete Frauen und Mädchen bekommen weniger KinderBild: AP

Für Stallmeister ist deshalb das beste Szenario für das Jahr 2100: "Eine Welt ohne Armut, ohne Hunger, ohne Not." Und es sei eine Welt, in der jede Frau die Bildung besitzt, um frei darüber zu entscheiden, wann und wie viele Kinder sie bekommen möchte.