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Armutsrisiko

Bernd Gräßler, Berlin5. Dezember 2006

Die 2005 erstmals durchgeführte Statistik "Leben in Europa" untersucht Armutsrisiken in einzelnen Ländern. In Deutschland gelten vier Prozent der Menschen als wirklich arm, 13 Prozent sind immerhin gefährdet.

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Suppenküchen helfen, wenn das Geld nicht mehr für eine warme Mahlzeit reicht (Foto: dpa)
Suppenküchen helfen, wenn das Geld nicht mehr für eine warme Mahlzeit reichtBild: dpa

Mehr als zehn Millionen Deutsche sind von Armut gefährdet oder tatsächlich arm. Das hat das Statistische Bundesamt ermittelt. Allerdings ist es eine Armut gemessen am europäischem Standard, darauf verwies Walter Rademacher von der offiziellen deutschen Statistikbehörde bei der Vorstellung der Ergebnisse am Dienstag (5.12.2006) in Berlin: "Das ist kein absoluter Maßstab, den Sie mit einem Entwicklungsland vergleichen können, sondern es ist eine relative Armutsdefinition, die sich auf unsere Gesellschaft bezieht. 10,6 Millionen sind armutsgefährdet, das sind 13 Prozent."

Weniger als 40 Prozent des mittleren Einkommens

Als armutsgefährdet gelten in der Europäischen Union alle Personen, die über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens ihres jeweiligen Landes verfügen. Wer weniger als 40 Prozent hat, gilt als wirklich arm, in Deutschland sind das vier Prozent der Bevölkerung.

Schlange stehen für kostenlose Lebensmittel in München (Oktober 2006, Foto: AP)
Schlange stehen für kostenlose Lebensmittel in München (Oktober 2006)Bild: AP

Armutsrisiken sind vor allem Arbeitslosigkeit und fehlende Bildungsabschlüsse, aber auch die regionale Herkunft. So sind Menschen in den neuen Bundesländern überdurchschnittlich gefährdet, besonders wenn sie jung sind. Laut Rademacher sind das in Ostdeutschland 20 Prozent der jungen Leute.

Kein Urlaub möglich?

Mehr als die Hälfte der Armutsgefährdeten in Deutschland können es sich nach eigenen Angaben nicht leisten, eine Woche Urlaub woanders als zu Hause zu verbringen. Viele leben in Haushalten, in denen im Winter an der Heizung gespart werden muss. Auch die steigenden Zuzahlungen für das Gesundheitswesen wirken sich offensichtlich negativ aus: "22 Prozent der von Armut Betroffenen haben gesagt, aus finanziellen Gründen können wir nicht zum Arzt oder zum Zahnarzt gehen, während nur sieben Prozent der übrigen Bevölkerung die gleiche Aussage machen", sagt Rademacher vom Statistischen Bundesamt.

Ohne staatliche Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Wohngeld oder Kindergeld wäre sogar ein Viertel der Bevölkerung armutsgefährdet. Für die vorgelegte Statistik wurden in Deutschland rund 25.000 Bürger befragt.

Deutschland im europäischen Mittelfeld

In allen Ländern der Europäischen Union sowie Norwegen und Island gab es 2005 ebenfalls Befragungen nach den gleichen Kriterien, diese Ergebnisse lagen dem Bundesamt noch nicht vor. Nach älteren Statistiken liegt Deutschland im europäischen Vergleich in puncto Armutsrisiko im Mittelfeld: am besten schnitten bisher die skandinavischen Länder ab, am schlechtesten Irland und Südeuropa.