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Argentinien bekämpft Korruption - ein wenig

Nicolas Martin
31. Januar 2018

Der argentinische Präsident Mauricio Macri will Ministern verbieten, ihre Verwandten im Staatsapparat zu beschäftigen. Im DW-Interview erklärt Claudia Zilla von der SWP, warum das nur ein erster Schritt sein kann.

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Argentinien Präsident Mauricio Macri
29.01.2018: Argentiniens Präsident verkündet Maßnahmen, um den Staatsapparat zu verkleinernBild: Imago/Agencia EFE

Deutsche Welle: Der argentinische Präsident Mauricio Macri will die Korruption bekämpfen und hat ein Dekret angekündigt, demzufolge die Verwandten von Politikern nicht mehr im Staatsapparat arbeiten dürfen. Noch ist das Dekret nicht unterzeichnet - was wissen Sie darüber?

Claudia Zilla (Stiftung Wissenschaft und Politik): Es ist kein Gesetz des Kongresses, sondern es ist eine Verordnung der Exekutive - sozusagen eine Notverordnung. Der Kongress kann sich aber noch dagegen aussprechen. Insgesamt ist die Reichweite aber etwas geringer, als Sie sie geschildert haben: Es geht um die Ernennung von Verwandten durch die Minister - und nicht generell darum, dass Verwandte nicht mehr im Staatsapparat arbeiten dürfen.

Aber der Präsident hat Gouverneure und Bürgermeister dazu eingeladen, sich dem Dekret anzuschließen. Und die Provinz Buenos Aires hat beispielsweise schon gesagt: Ja, wir machen mit. Sie beginnt bereits, sich im Sinne des Dekrets zu verhalten - obwohl das Dekret sie dazu wahrscheinlich nicht verpflichten wird.

Ist das Dekret also ein Instrument für mehr Transparenz und gegen Korruption?

Aus meiner Perspektive hat das Gesetz zwei Dimensionen. Die eine ist der Kampf gegen Nepotismus, also die Bevorzugung von Verwandten. Die andere ist die Verkleinerung des Staatsapparats. Der ist unter der Vorgängerregierung stark angewachsen. Man muss aber in diesem Kontext auch sagen, dass auch Mauricio Macri - als er an die Macht kam - lauter neue Posten in der Exekutive geschaffen hat. Das ist nicht untypisch.

Quadriga 08.06.17 Zilla Claudia
Claudia Zilla von der Stiftung Wissenschaft und PolitikBild: DW

Warum?

Weil es viel einfacher ist, die eigenen Leute schnell einzustellen, als die Leute der Vorgängerregierung zu entlassen. Anhänger von Macri - Akademiker mit liberalem Gedankengut - waren über diesen Schritt sehr enttäuscht. Sie dachten: Der Mann ist Unternehmer und weiß, was Effizienz ist, und trotzdem hat er die Struktur der Exekutive vergrößert und vergrößert.

Dann dient das Dekret auch ein bisschen als Vorwand, um die eigenen Fehler wieder rückgängig zu machen?

Man hat auf jeden Fall nun einen Grund, Leute zu entlassen oder die Leute anzuregen, die Kündigung einzureichen. Am Ende kündigen zehn Leute und man stellt nur fünf wieder ein - da hat man fünf gespart.

Gibt es schon Reaktionen in Argentinien auf die Ankündigung des Dekrets?

Ja, beispielsweise heißt es, dass zwei Schwestern von Arbeitsminister Jorge Triaca ihre Kündigung bereits eingereicht hätten und seine Frau diesen Schritt nach den Sommerferien machen wolle. Auch der Sohn der Ministerin für Öffentliche Sicherheit und der Vater des Innenministers hätten gleiches gemacht, wird berichtet.

Inwiefern ist es denn die Regel, dass die Familienmitglieder im Staatsapparat beschäftigt werden?

In Argentinien, aber auch in Lateinamerika insgesamt ist es sehr häufig der Fall, dass Beamte und Politiker des Staatsapparats Verwandte und Freunde einstellen oder bei der Einstellung nachhelfen. Dieses Dekret in Argentinien wird allerdings nur die Familie betreffen und nicht die Freunde. Die Familienangehörigkeit kann man sehr gut nachweisen. Inwiefern jemand aber ein Bekannter ist oder man einen Gefallen zurückzahlt, das kann man nicht so gut nachweisen. Wenn man sagt: Die Minister dürfen keine Verwandten einstellen, ist das also nur die Spitze des Eisbergs. Das geht in die richtige Richtung, aber es geht nur um einen kleinen Teil vom großen Ganzen.

Auch in Deutschland spielen Freundschaften und Netzwerke eine große Rolle. Inwiefern unterscheidet sich die Dimension von Lateinamerika?

Wenn wir Deutschland mit Lateinamerika vergleichen, vergleichen wir beinahe zwei Extreme, aber auch Deutschland im Vergleich zu den USA. In Deutschland hat die Staatsverwaltung eine sehr lange Tradition. Hier wird eine kleinere obere Schicht von politischen Posten ohne großen Wettbewerb vergeben. Es sind vor allem die hoch institutionalisierten Parteien, die einen Anspruch auf Regierungsämter erheben. Dementsprechend sind rein persönliche Bekanntschaften weniger relevant als in Lateinamerika. Aber natürlich spielen sie auch eine Rolle.

In ganz Lateinamerika spielt die Korruption seit Jahrzehnten eine große Rolle. Sehen sie generell eine Tendenz dazu, dass sich in diesem Bereich viel bewegt?

Ja und nein. Korruption ist ein zentrales Thema in den Medien. Es ist ein zentrales Thema in den Wahlkämpfen und die Bürgerinnen und Bürger sind stärker sensibilisiert. Die Toleranz gegenüber Korruption hat abgenommen. Es ist ein Problem, über das geredet wird und die Regierungen haben hin und wieder Maßnahmen dagegen ergriffen. Und es gibt eine stärkere Strafverfolgung von Korruption durch die Gerichte.

Was mir Sorgen bereitet, ist, dass dies fast nur Leute trifft, die nicht mehr an der Macht sind. Ich finde es beispielsweise verdächtig, wenn die Justiz zwölf Jahre lang nichts gegen den Kirchnerismo (Anm. der Redaktion: die Politik des Ehepaars Kirchner) gemacht hat und das erst jetzt unter Mauricio Macri geschieht. Ich sage nicht, dass das generell nicht sein sollte oder dass es sich um politische Verfolgung handelt. Ich finde es nur seltsam, wenn die Justiz nicht ständig aktiv und engagiert ist.

Könnte das neue Dekret denn auch in anderen Ländern Lateinamerikas Anwendung finden?

Ja. Allerdings denke ich, dass ein solches Dekret mehr Legitimität in der Form eines Gesetzes des Kongresses hätte. Zweitens denke ich, dass ein Dekret oder Gesetz alleine nicht reicht. Nicht in Argentinien und nicht in vielen anderen Ländern der Region. Der Staatsapparat muss insgesamt professionalisierter und effizienter werden. Man sollte eine professionelle Verwaltung, eine kompetente Bürokratie aufbauen, wo Posten wirklich ausgeschrieben und in einem kompetitiven Verfahren besetzt werden. Die Besten sollten die Chance bekommen sich durchzusetzen und nicht diejenigen mit besonders einflussreichen Verwandten.

Claudia Zilla ist argentinische Politikwissenschaftlerin und Leiterin der Forschungsgruppe Amerika bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin.

Das Gespräch führte Nicolas Martin.