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Politik

Argentinens Präsident Macri hofft auf Mehrheit

21. Oktober 2017

Die Argentinier wählen diesen Sonntag einen Teil ihrer Senatoren und Abgeordneten neu. Der Urnengang ist auch ein Stimmungstest für Präsident Mauricio Macri. Sein Umgang mit einem Kriminalfall wühlt das Land auf.

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Argentinien | Präsident Mauricio Macri
Bild: picture-alliance/AP Photo/V. R. Caivano

Für den amtierenden argentinischen Präsidenten kommt der Fall Santiago Maldonado zur Unzeit. Der junge Aktivist, der sich vor allem für die Rechte der argentinischen Indios engagierte, war vor knapp drei Monaten unter bislang ungeklärten Umständen verschwunden. Anfang dieser Woche wurden seine sterblichen Überreste dann gefunden. 

Seitdem untersuchen 55 Gerichtsmediziner den Leichnam des jungen Mannes, nicht beaufsichtigt zwar, aber doch kritisch beäugt von rund 30 Beobachtern und Juristen. Zu brisant ist der Fall, als dass an den Ergebnissen der Autopsie auch nur der Hauch eines Zweifels bestehen darf. Maldonado gilt vielen Argentiniern nach wie vor als "desaparecido" - als "Verschwundener".

Der Begriff löst in Argentinien bis heute beklemmende Erinnerungen aus. "Desaparecidos" nennt man jene Menschen, die während der Militärdiktatur (1978-1983) von den Häschern des Regimes entführt und getötet wurden. Die Leichen ließen die Militärs verschwinden - das Schicksal vieler dieser "Verschwundenen" ist bis heute nicht geklärt.

Vielleicht war es ein Fehler, dass Mauricio Macri es ablehnte, Forensik-Experten der Vereinten Nationen an der Untersuchung teilnehmen zu lassen. Das nehmen ihm viele Argentinier übel. Als Macri nun der Mutter des Verschwundenen telefonisch sein Beileid aussprach, reagierte die Familie empört. Die Beileidsbekundung sei eine "Heuchelei", erklärte der Bruder des Verstorbenen. Die Personen aus dem Umfeld des Präsidenten seien "schamlos", alles habe seine Grenzen. Besonders bringe ihn auf, dass der Anruf kurz vor der Wahl komme.

Aktivist  Santiago Maldonado
Trauer in Buenos Aires: Der lange vermisste Santiago Maldonado ist totBild: picture-alliance/AP Photo/N.Pisarenko

Reformen und Erneuerung

Macri, dessen Partei "Cambiemos" ("Auf zum Wandel") eine Minderheitsregierung bildet und darum auf Stimmen der Opposition angewiesen ist, hatte eigentlich auf weitere Sitze in beiden Kammern gehofft. Immerhin wird bei den jetzigen Wahlen ein Drittel der Sitze im Senat und rund die Hälfte im Abgeordnetenhaus neu vergeben. Doch könnte der Ruf, den er sich als entschlossener Reformer erworben hat, Schaden nehmen. 

Denn die Argentinier erwarten von ihm eine grundlegende juristische und ethische Erneuerung des Landes. Die Wähler, hieß es dieser Tage in der argentinischen Zeitung La Nación, hätten Macri aufgetragen, das Land zu "verwandeln".

Das Erbe Cristina Kirchners

Unter anderem, so das Blatt, erwarte man von ihm, der Korruption ebenso ein Ende zu bereiten. Außerdem müsse die nach dem Geschmack der Argentinier oft laxe Strafverfolgung einflussreicher Personen aufhören. Der Präsident sehe es als Wählerauftrag an, "dass die betreffenden Personen verhaftet werden, das (gestohlene) Geld zurückgeben und keine öffentlichen Ämter mehr annehmen", heißt es in La Nación. 

Das bezieht sich auch auf Macris Vorgängerin, die bis 2015 amtierende Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner. Da ihr nach den Vorwahlen vom August aber ein Senatsplatz so gut wie sicher ist, wäre sie gegen juristische Verfolgung Immun. Die gegen sie laufenden Prozesse können aber fortgesetzt werden.

Anfänge in Buenos Aires

Alles in allem hat Mauricio Macri in den Augen vieler Argentinier bislang eine recht überzeugende Leistung geboten. Den Willen und die Fähigkeit, die Lebensverhältnisse der Bürger zu verbessern, demonstrierte er erstmals 2007, als er das Amt des Bürgermeisters von Buenos Aires übernahm. Er brachte die Müllabfuhr der Drei-Millionen-Stadt auf Vordermann, sorgte für höhere Pünktlichkeit im öffentlichen Nahverkehr, erweiterte das Trinkwassernetz.

Als Präsident setzte der überzeugte Liberale diese Linie fort. Seine Vorgänger, das Präsidentenehepaar Kirchner - erst Nestor und nach seinem Tod 2010 Ehefrau Cristina - hatten die Wirtschaft des Landes in eine Krise gestürzt. Macri entschloss sich für eine Radikalkur: Er gab den Wechselkurs des Peso frei und lockerte schrittweise die Handelsbeschränkungen.

Argentinien Generalstreik
Protest: Die Arbeiterpartei demonstriert gegen Macris Wirtschaftspolitik Bild: picture-alliance/telam/P. Luis

Argentinische Produkte können seitdem wieder auf dem Weltmarkt bestehen. Allerdings haben sich für die Argentinier durch den freien Wechselkurs die Lebenshaltungskosten verteuert, die Einkommen verloren an Realwert. Dadurch brachte Macri viele weniger wohlhabende Argentinier und die Gewerkschaften gegen sich auf. Macri hofft nun auf einen Wirtschaftsboom, in dessen Folge auch die Einkommen steigen. Das ist das große Versprechen, das er den Argentiniern gemacht hat.

Sorgenkind Inflation

Noch nicht endgültig in den Griff bekommen hat Macri die Inflation. Dieses Jahr dürfte sie bei über 25 Prozent liegen. Wirtschaftsprognosen sehen sie im nächsten Jahr bei gut 18 Prozent. 

Den Umfragen zufolge trauen ihm die Argentinier aber offenbar zu, die Preissteigerung langfristig zu meistern: Aus den nun anstehenden Wahlen dürfte "Cambiemos" als stärkste Kraft hervorgehen.

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Enthüllungen in den Panama Papers

Daran ändert auch der Umstand wenig, dass Macri derzeit auch privat herausgefordert ist. Durch die Veröffentlichung der Panama Papers wurde bekannt, dass der Präsident während seiner Amtszeit als Bürgermeister von Buenos Aires unternehmerisch aktiv war. Aus den Dokumenten ging hervor, dass Macri, Sohn eines der reichsten Unternehmer des Landes, als Direktor zweier privater Unternehmen fungierte. Das hatte er vor seinem Amtsantritt verschwiegen. Da er aber kein eigenes Kapitel an dem Unternehmen hielt, ist unter Juristen umstritten, ob er zur Offenlegung verpflichtet war.

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika