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Kunst

Letzte Modernist der Architektur wird 100

Sabine Peschel
25. April 2017

Weltruhm ist ihm schon zu seinen Lebzeiten sicher. Mit seinen Gebäuden hat er die Architektur des 20. Jahrhunderts mitgeprägt. I. M. Pei, der letzte Modernist, wird am 26. April einhundert Jahre alt.

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I. M. Pei bei der Einweihung des Museums für islamische Kunst in Doha
Bild: picture-alliance/dpa/A. Abd Rabbo

Seine Louvre-Pyramide ist zu einer Ikone der modernen Architektur und zu einem Wahrzeichen der französischen Hauptstadt geworden. Dabei schlug dem Architekten vor der Eröffnung des Glasbaus 1989 geradezu Feindseligkeit entgegen. Wenig hatte den über damals 60-Jährigen auf die harten Konfrontationen mit Behördenvertretern und Historikern sowie die Ablehnung der Pariser vorbereitet.

In den USA war er bereits ein Star, gefeiert für seine elegante John-F.-Kennedy-Bibliothek in Boston und das für ein großes Publikum gedachte Rathaus in Dallas. 1983, während der Planungsphase, hatte er den "Nobelpreis der Architektur" erhalten, den Pritzker-Preis - doch auch das beeindruckte seine Kritiker nicht. André Chabaud, der Direktor des Louvre, trat sogar aus Protest gegen den Entwurf des Erweiterungsbau im Hof des einstigen Königssitzes zurück. Drei Jahrzehnte später betreten jährlich fast neun Millionen Menschen das meistbesuchte Museum der Welt durch Peis Glas- und Stahlkonstruktion. Sie tauchen beglückt ein in das Licht unter der 21 Meter hohen Pyramide, hinein ins Sonnenlicht, das bis in den Untergrund des Museums strahlt.

Schüler von Walter Gropius

Bank of China in Hong Kong
Glas und Stahl, angeordnet wie Schuppen eines Bambussprosses: Bank of China Tower in Hong KongBild: picture-alliance/CHROMORANGE/G. Fischer

I. M. Pei, wie er im Westen genannt wird, ist seit 1955 Amerikaner. Geboren wurde der Architekt 1917 in Suzhou, der berühmten Stadt der Gärten und Kanäle in der Nähe von Shanghai. Er wuchs in Hongkong und Shanghai auf - sein Vater war Banker, die künstlerisch veranlagte Mutter starb, als er 13 war. Nach seinem Schulabschluss 1935 schrieb er sich an der University of Pennsylvania ein, machte erst am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge und 1946 an der Harvard Graduate School of Design Abschlüsse in Architektur.

In Harvard unterrichtete ihn der Bauhaus-Architekt Walter Gropius, der vielleicht einflussreichste Architekturlehrer des 20. Jahrhunderts. Daneben freundete Pei sich mit dem Ungarn Marcel Breuer an, dem Architekten des Whitney-Houston-Museums und des UN-Gebäudes in New York. "Ich habe ungeheuer viel von diesen Giganten gelernt", wird er später erzählen.

"Bomben statt aufbauen"

Als der Zweite Weltkrieg seine Rückkehr nach China verhindert, unterrichtet er für kurze Zeit an der Harvard-Universität und wird dann vom Nationalen Verteidigungs-Komitee zum Kriegsdienst gerufen. Eine düstere Zeit: "Dort habe ich gelernt, zu bomben statt aufzubauen." Nach dem Krieg waren bald Boston, New York und Los Angeles seine neuen Arbeitsplätze. 1948 bis 1955 arbeitete Pei für den geschäftstüchtigen Bauunternehmer William Zeckendorf. Mit der amerikanischen Staatsbürgerschaft in der Tasche schuf er städtische Projekte wie das Mile High Center in Denver (1955), den neu gestalteten Hyde Park in Chicago (1959) und den Place Ville-Marie in Montreal (1965).

Nach Anfängen beim New Yorker Unternehmen "Webb & Knapp" eröffnete er dort seine eigene Firma "I. M. Pei & Partners". Es folgten prestigeträchtige Aufträge wie der Ostflügel der "National Gallery of Art" in Washington (1978) und die Bibliothek für den ermordeten Präsidenten John F. Kennedy in Boston (1979). Die Planung für die Bibliothek ist sehr schwierig, sein Entwurf, der eine Glaspyramide vorsieht, trifft auf entschiedenen Widerstand. Der Standort muss geändert werden, Pei empfindet den neuen Baugrund als unattraktiv. Doch am Ende trägt ihm der umstrittene Bau Ruhm ein.

Schöpfer von Wahrzeichen

Architekt Ieoh Ming Pei mit seiner Frau
Ieoh Ming Pei mit seiner Frau (2003)Bild: picture-alliance/dpa/B. Settnik

Nixons Besuch in China 1972 macht auch für den Architekten den Weg in sein ursprüngliches Vaterland frei. 1974 kehrt er erstmals zurück. Später realisiert er einige Projekte, oft begleitet von seiner Frau Eileen Loo, die er schon aus Studienzeiten kannte und mit der er drei Söhne und eine Tochter hat. Als er in den Achtzigerjahren den symbolträchtigen Auftrag für den Turm der Bank of China erhält - das Handover Hongkongs zeichnet sich schon am Horizont ab - berät er sich vor seiner Zusage mit seinem 89-jährigen Vater, einem ehemaligen Hongkonger Banker. Der schroff aufragende Wolkenkratzer ist drei Jahre lang das höchste Gebäude Asiens - und bleibt von den Hongkongern beargwöhnt.

Auch in Deutschland ging seinem Ausstellungs-Annex für das Deutsche Historische Museum in Berlin zunächst Entrüstung voraus: Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl hatte den Auftrag per Direktmandat an Pei vergeben, weil dieser sich schon lange nicht mehr an Ausschreibungen beteiligte. Die Kritik verstummte, als 1997 der Entwurf für den Anbau mit spiralförmigem Treppenhaus aus Glas und Stahl vorgestellt wurde. Heute spricht das Museum beim 2003 eröffneten Pei-Bau hinter dem barocken Zeughaus von einem "atemberaubenden Gebäude".

"Niveau von Poesie"

"Ieoh Ming Pei hat diesem Jahrhundert einige seiner schönsten Innenräume und äußeren Formen gegeben", urteilte die Jury, die ihm 1983 den Pritzker-Preis verlieh. "Seine Vielseitigkeit und sein Können beim Materialgebrauch nähern sich dem Niveau von Poesie." In Peis späten Bauten wie dem Miho Museum außerhalb von Kyoto (1997) oder dem Museum für Islamische Kunst in Doha (2008), zeigt sich diese Poesie deutlicher als in seinen Hauptwerken.

Auf Chinesisch lautet der Name des sino-amerikanischen Jahrhundertarchitekten ganz anders als in der am Englischen orientierten Umschrift. "Bei Juming" klingt viel weicher. Man könnte diese Doppelheit symbolisch interpretieren: im Sinne seiner Fähigkeit, den härteren Stil der westlichen Moderne mit anderen Kulturkreisen zu verbinden.