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Arbeit und Kinderwunsch: Entweder oder?

Monika Lohmüller19. August 2003

Wenn immer mehr Frauen arbeiten, geht die Geburtenrate immer weiter zurück - zumindest in Deutschland. In anderen Ländern sieht das anders aus.

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Unterbezahlt, benachteiligt - und kinderlos?Bild: DW

In Deutschland sind die Frauen so gut ausgebildet wie Männer. Und deshalb gibt es für sie keinen Grund, sich nicht in das Berufsleben zu stürzen. Aber nach wie vor ist es schwierig, Job und Familie unter einen Hut zu bringen. Wie eine Studie, die das Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln im August 2003 veröffentlicht hat, zeigt, geht die seit nunmehr 30 Jahren ansteigende Frauenerwerbstätigkeit einher mit rückläufigen Geburtenraten.

Seit 1974 ist die Frauenerwerbstätigkeit in Deutschland um ein Viertel gestiegen. Frauen wollen heutzutage nicht nur Kinder, sondern auch Karriere machen. Laut der Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft haben aber die heute siebzigjährigen Frauen statistisch gesehen durchschnittlich 2,2 Kinder großgezogen. Nicht einmal jede Zweite war dabei im Alter zwischen 30 und 40 Jahren berufstätig. 30 Jahre später haben fast drei Viertel einen Job, kommen aber im Schnitt nur auf 1,5 Kinder.

Nach wie vor problematisch

In Deutschland scheint die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nach wie vor problematisch. Das sieht in anderen europäischen Ländern nicht viel anders aus. In Griechenland beispielsweise fällt der Kinderwunsch offensichtlich besonders schwer. Laut Statistik ist die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau mit 1,3 noch niedriger als in Deutschland. Das liege, so die Studie des Wirtschaftsinstituts, nicht zuletzt daran, dass in fast allen südeuropäischen Ländern klassischerweise die Männer die Familie ernähren, das allgemeine Einkommen recht niedrig ist und zusätzlich immer mehr Frauen arbeiten müssen. Zugleich gibt es dort kaum Einrichtungen, die den Nachwuchs in Obhut nehmen. Und in Frankreich ziehen es vermutlich viele Frauen vor, sich ganz der Familie zu widmen, weil sie in der Regel deutlich weniger verdienen als die Männer.

Schwangere Frau hält ihren Bauch
Bild: AP

In Schweden, Dänemark, Finnland oder auch in Australien sieht das anders aus. In Skandinavien hatten beispielsweise vier von fünf der 1945 geborenen Frauen im Alter von 30 bis 39 Jahren eine Arbeit - die jüngeren Generationen setzten diesen Trend fort. Untersuchungen der OECD belegen, dass es Staat und Unternehmen dort am leichtesten machen, weder auf Job noch auf Kinder verzichten zu müssen. Dazu zählt eine gut organisierte Kinderbetreuung, die "viele positive Folgen" nach sich zieht, sagt Susanne Seyda vom Institut der Deutschen Wirtschaft. "Wenn in Skandinavien die Frauenerwerbstätigkeit steigt, dann sinkt die Geburtenrate nicht so stark wie sie in Deutschland sinken würde."

Vorbild Skandinavien?

Doch allein an fehlenden Kindertagesstätten liegt es nicht, dass die Geburtenraten in Deutschland rückläufig sind: Ganz traditionell leisten in Deutschland und in vielen westeuropäischen Ländern nach wie vor Frauen hauptsächlich Haus- und Erziehungsarbeit und der Mann verdient das Geld. "Das ist in den skandinavischen Ländern auch schon anders", so Seyda. "Dort ist die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern auf dem Arbeitsmarkt auch deutlich größer ausgeprägt, auch wenn da die Frauen nach wie vor den Großteil der Hausarbeit machen."

Auch Einkommenseinbußen und "Karriereknicks" seien ausschlaggebend für den ausbleibenden Kinderwunsch. Angesichts der immer älter werdenden Deutschen, sei dies keine erfreuliche Tendenz. Allerdings sind für den deutschen Arbeitsmarkt Frauen unentbehrlich, sagt Susanne Seyda – und das mit deutlich zunehmender Tendenz: "In den nächsten 20 bis 50 Jahren wird die Zahl der potenziell Erwerbstätigen auf jeden Fall sinken. Frauen werden gebraucht, um als qualifizierte Fachkräfte einzusteigen, um die Produktion und den Dienstleistungssektor Deutschland zu stützen." Bei den momentan noch bestehenden Rahmenbedingungen, um Kinder und Beruf zu vereinbaren, dürfte dadurch die Geburtenerate weiter fallen - und die Gesellschaft mittelfristig noch stärker überaltern.