1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Aquinos politisches Vermächtnis

Roxana Isabel Duerr27. Juli 2015

In seiner letzten Rede zur Lage der Nation betont der philippinische Präsident Aquino die Errungenschaften seiner Administration. Die Meinungen zu seinem politischen Vermächtnis gehen indes weit auseinander.

https://p.dw.com/p/1G5M2
Philippinen Präsident Benigno Aquino Rede zur Lage der Nation
Bild: Getty Images/AFP/N. Celis

“Ich habe einen guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Glauben gehalten", - mit einem Bibelzitat beendete der philippinische Präsident Benigno "Noynoy" Aquino III seine letzte, mehr als zweistündigen Rede zur Lage der Nation. In seiner Ansprache ging es vor allem um die Leistungen seiner Regierung in den Bereichen Wirtschaft, Arbeitsmarktpolitik, Bildung, Gesundheit und Infrastruktur. Untermalt wurde die Rede von zahlreichen bunten Videos mit hoffnungsvollen Botschaften an die Bevölkerung.

Draußen war die Stimmung jedoch nicht ganz so rosig: Während der Präsident vor dem Kongress seine wohlbedachten Worte vortrug, fanden landesweit zahlreiche Proteste militanter Gruppen statt. In der Hauptstadt wurde das Abbild des Präsidenten von Demonstranten verbrannt, lauthals wurden Anti-Aquino Parolen gebrüllt. "Die Stimmen der Armen müssen erhört werden - trotz der politischen Schlammschlachten zwischen verschiedenen Fraktionen. Die Rede zur Lage der Nation ist unsere Gelegenheit, um die grundlegenden Themen aufzugreifen mit denen die Aquino-Regierung sich nicht befasst hat", rief Renato Reyes, Generalsekretär des Linksbündnisses Bayan vor einer aufgebrachten Menge in Manila.

Aquinos Gesellschaftsvertrag

Seit seinem Amtsantritt 2010 sind Aquinos Umfragewerte drastisch gesunken - zahlreiche Korruptionsskandale und die vorherrschende Vetternwirtschaft haben die Regierung und das Vertrauen vieler Filipinos mehrfach erschüttert.

Proteste auf den Philippinen
2013 demonstrierten zehntausende Filippinos gegen Korruption. Seither hat sich wenig geändert.Bild: Ted Aljibe/AFP/Getty Images

In den letzten elf Monaten steht Aquino vor der Herausforderung, seine Wahlversprechen von 2010 zu erfüllen. Das Herzstück seines Regierungsprogramms war der sogenannte "Gesellschaftsvertrag mit dem philippinischen Volk", eine ambitionierte 16-Punkte Agenda, die auf sozialen und strukturellen Wandel abzielte. Die großen Themen dieses Dokuments waren unter anderem Korruption, Wirtschaft, Armut, Umwelt, Justiz sowie Frieden und Ordnung.

Flächendeckende Korruption

Seinen Wahlsieg 2010 hatte "Noynoy" vor allem einer Antikorruptionskampagne zu verdanken. "Aquino hat der philippinischen Politik eine moralische Dimension verliehen", betont Richard Heydarian, Professor für Politikwissenschaft an der De La Salle Universität in Manila. "Kaum ein Regierungsführer der jüngeren Vergangenheit habe so viel politisches Kapital in die Korruptionsbekämpfung innerhalb der Exekutive, der Legislative und der Judikative investiert", so der Politologe weiter.

"Ist die Korruption unter Aquino wirklich zurückgegangen?", fragt indes der Radiomoderator und Kolumnist Bobby Nalzaro. "Nein. Korruption ist in staatlichen Institutionen immer noch flächendeckend - Noynoy's Verwaltung ist nur hinter der Opposition her. Gegen seine Verbündeten, die mit den gleichen üblen Tricks spielen, wird jedoch nicht ermittelt", so Nalzaro weiter.

Kritisiert wird Aquinos auch für seine mangelnde Handlungsbereitschaft, um den bisher größten Massenmord an Journalisten in Maguindanao vor knapp sechs Jahren aufzudecken. Nach seinem Amtsantritt hatte Präsident Aquino ein Ende von Straflosigkeit und extralegalen Hinrichtungen versprochen.

Vom "kranken Mann Asiens" zum "aufsteigenden Tigerstaat"?

Mehrmals betonte Aquino, dass die Philippinen nun vom "kranken Mann Asiens" zu einem "aufsteigende Tigerstaat" geworden seien. Zwar haben die Philippinen insbesondere in den vergangenen drei Jahren ein wirtschaftliches Wachstumstempo vorgelegt, das sie sogar von anderen ASEAN-Staaten wie Indonesien, Malaysia, Vietnam und Thailand abhebt. Dennoch trägt das starke Wirtschaftswachstum kaum zur Lösung des größten gesellschaftlichen Problems bei: Die Armut im Inselstaat ist weiterhin gravierend. Rund 30 Prozent der Bevölkerung gilt als arm.

Philippinen Wirtschaftswachstum
Die Wirtschaft der Philippinen wächst seit Jahren kräftigBild: AFP/Getty Images

Politikwissenschaftler Heydarian unterstreicht: "Ein Großteil des Reichtums unseres Landes wurde von der Elite verschluckt, während Armut, Hunger und Arbeitslosigkeit gleich hoch geblieben ist." Ohne eine Erneuerung der maroden Infrastruktur und weitreichende Reformen, insbesondere im Landwirtschaftssektor und in der verarbeitenden Industrie, bleibt auch das von der Aquino-Regierung prophezeite "integrative Wachstum" ein ferner Wunschtraum.

Frieden: Innen- und außenpolitisch

Auf den Friedensvertrag mit der Moro Islamischen Befreiungsfront ging Aquino auch kurz ein. Es sei notwendig, das Kernstück des Friedensvertrags, das sogenannte "Bangsamoro Basic Law" (BBL) zu verabschieden, um einen dauerhaften Frieden in der südphilippinischen Provinz Mindanao zu erlangen. Der BBL-Gesetzesentwurf muss jedoch zunächst beide Kammern der Legislative, den Kongress und den Senat passieren, bevor über dessen Annahme in einem Volksentscheid abgestimmt wird. Mit nur elf Monaten verbleibender Amtszeit für Aquino und den nahenden Präsidentschaftswahlen bleibt ungewiss, ob der philippinische Kongress ein Gesetz verabschieden kann, das gleichzeitig verfassungskonform ist und einen dauerhaften Frieden in Mindanao sichert.

Philippinen Anschlag auf Bus 09.12.2014
Immer wieder kommt es wie hier im Dezember 2014 zu Anschlägen mit terroristischem HintergrundBild: Reuters/Philippine National Police

Außenpolitisch erwähnte Aquino auch den Inselstreit mit China im Südchinesischen Meer: Nur "durch Vernunft und Vaterlandsliebe" könne man Chinas wirtschaftlicher und militärischer Macht entgegenwirken. Einheit sei der einzige Weg, um die Interessen der Philippinen zu schützen, so Aquino vor dem Publikum der Diplomaten und Würdenträger - darunter Chinas Botschafter auf den Philippinen, Zhao Jianhua. Im kommenden November werden China's Präsident Xi und Aquino anlässlich der APEC-Konferenz in Manila aufeinandertreffen.

Geteilte Meinungen über Aquinos Vermächtnis

Politikwissenschaftler Ranjit Rye von der Universität der Philippinen findet, dass Aquino zwar mehr für das Land getan hat als seine Vorgängerin Gloria Arroyo. Dennoch: "Vor allem in puncto Armutsbekämpfung blieb Aquino hinter den Erwartungen zurück und zeichnete sich oftmals durch Führungsschwäche aus", so Rye. Die politische Kommentatorin Elizabeth Angsioco relativiert hingegen: "Es braucht ein großes Wunder und einen systemischen Wandel, um nur die beiden größten Plagen unserer Gesellschaft in Ordnung zu bringen - Korruption und Armut. Kein Präsident kann das in nur sechs Jahren beseitigen."

Für Richard Heydarian sind vor allem stabile Institutionen und effiziente Regierungsstrukturen wichtig, um Reformprozesse und dauerhafte Veränderung in Gang zu bringen - nicht Persönlichkeiten. "Verantwortungsbewusste Regierungsführung wird nur erreicht werden, wenn Aquinos Reformen und sein politisches Vermächtnis von seinen Nachfolgern fortgesetzt wird."

Auf den sozialen Medien loben die Filippinos Aquinos Bemerkung, dass er nicht perfekt sei, aber sein Bestes gegeben habe. Insgesamt ist die Resonanz im Internet wohlwollend.