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"Zusammenarbeit mit Westeuropa klappt nicht"

Juri Rescheto24. März 2016

Nach den Anschlägen von Brüssel will auch Russland den Kampf gegen den Terror forcieren. Im DW-Interview kritisiert Russlands Vize-Verteidigungsminister Antonov aber die schlechte Zusammenarbeit mit Westeuropa.

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Russland stellvertretender Verteidigungsminister Anatoli Antonow
Bild: Roslan Rahman/AFP/Getty Images

DW: Herr Antonov, der Kampf gegen den globalen Terrorismus ist nicht neu. Er wird seit Jahrzehnten geführt. Bisher aber ohne Erfolg. Die Anschläge in dieser Woche in Brüssel zeigen das. Ist dieser Kampf nicht effektiv genug oder warum?

Anatoli Antonov: Dieser Kampf wird das Hauptthema der Internationalen Sicherheitskonferenz sein, die Ende April in Moskau stattfindet. Das Problem liegt darin, dass manche Staaten mit den Terroristen Spielchen spielen, indem sie glauben, dass man kleine Inseln schaffen kann, die frei vom Terror sind. Unser Präsident aber hat bei der UNO-Vollversammlung allen ganz klar die helfende Hand ausgestreckt und gesagt: Wir müssen alle zusammenhalten. Wie die Finger einer Faust. Nur so können wir erfolgreich den Terrorismus bekämpfen.

Die Faust ist ein schönes Bild, das sie und ihr Präsident verwenden. Was aber kann Russland konkret in diesem Kampf leisten?

Ich gebe ihnen zwei Beispiele. Erstens natürlich der Nahe Osten. Uns ist es gelungen, die Metastasen des Terrors in Syrien zu stoppen. Noch schöner wäre es, wenn wir diese Metastasen am Körper des ganzen Nahen Ostens bekämpft hätten. Das zweite Beispiel ist Afghanistan. Dort gefährden die Terroristen ernsthaft die Sicherheit und wir machen alles Mögliche, damit dieser - entschuldigen Sie - Dreck sich nicht auf Russland ausbreitet, und auf die Länder, die uns gegenüber freundlich gesinnt sind. Dafür rüsten wir zum Beispiel die Armeen von Tadschikistan und Kirgisistan mit modernen Waffen aus. Mehr noch, wir tun alles, um diese Streitkräfte kampffähiger zu machen.

1355 Kilometer lang ist die Grenze zwischen Tadschikistan und Afghanistan. Eine Grenze, die kaum überwacht wird. 2005 hat Russland seine Grenztruppen aber abgezogen. Plant Russland eine Rückkehr?

Zurzeit haben wir von unseren tadschikischen Freunden diesbezüglich keinen Auftrag. Sie baten uns bisher hauptsächlich um die militärische Hilfe für ihre Streitkräfte und die Ausrüstung ihrer Armee. Und genau das tun wir.

Wenn ich mich nicht irre, hat Russland zurzeit aber trotzdem eine 9000 Mann starke Militärbasis in Tadschikistan. Will Russland diese Basis nicht eines Tages vergrößern?

Die aktuelle Anzahl russischer Soldaten dort entspricht den Aufgaben und Herausforderungen Tadschikistans und Russlands in der Region.

Russland legt großen Wert auf die militärische Zusammenarbeit mit Tadschikistan. Mit wem noch?

Das sind in erster Linie unsere Bündnispartner. Von der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit, von der Gemeinschaft unabhängiger Staaten. Was bisher aber noch nicht klappt, ist die Zusammenarbeit mit den Ländern Westeuropas.

Warum nicht?

Das Hauptproblem ist das fehlende Vertrauen. In meiner Diplomatenkarriere habe ich mehr als 30 Jahre mit westeuropäischen Staaten und den USA verhandelt und zusammengearbeitet. Oft hatte ich das Gefühl, dass ich für sie nur dann gut war, wenn ich mit ihnen einer Meinung war. Sobald ich aber meine eigene Meinung hatte und sagte, dass ich die Welt anders sah, wurde ich sofort für konservativ und undemokratisch gehalten.

Was kann denn Russland konkret bieten?

Man sollte aufhören, Schreckgespenster zu verbreiten. Gerüchte darüber, dass russische Panzer morgen im Baltikum stehen werden, in Sofia, in Budapest. Keiner von uns hat das vor. Es gibt keine Pläne, gar nichts. Russland will keinen Krieg. Allein der Gedanke daran ist lächerlich.

Warum passiert das trotzdem? Aus Angst vor dem Wiedererstarken der einstigen russischen Supermacht? Oder vielleicht weil man den Russen heute nicht mehr trauen kann? Unsere Beziehungen waren ja auch schon ganz anders in den letzten Jahren.

Ich würde nicht das ganze Europa über einen Kamm scheren. In baltischen Staaten ist das Schreckgespenst 'Die Russen kommen, rette sich wer kann!' schon alt. Dort funktioniert es gut, um Militärausgaben im Staathaushalt zu erhöhen, um die Aufmerksamkeit der westeuropäischen Geldgeber zu erregen: Deutschlands, Frankreichs, Italiens, Spaniens. Aber die genannten Staaten handeln pragmatischer. Sie verstehen, dass man heute die Probleme der Sicherheit in Europa, dem Nahen Osten oder Asien, ohne Russland nicht lösen kann.

Das Interview führte Juri Rescheto.

Anatoli Antonov wurde 1955 in Omsk geboren. Er arbeitete 30 Jahre im russischen Außenministerium. Seit Februar 2011 ist er Vize-Verteidigungsminister Russlands.