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Politik

Mossul: Große Sorge um Zivilisten

18. Oktober 2016

Die Schlacht um Mossul wird viele zivile Opfer fordern, warnen Menschenrechtsgruppen, oder sie zur Flucht zwingen. Die EU befürchtet, dass sich unter die Flüchtlinge auch IS-Kämpfer mischen könnten.

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Irak Peschmerga-Kämpfer bei Mossul
Ein Peschmerga-Kämpfer bewacht einen Vorort Mossuls Bild: Getty Images/AFP/S.Hamed

Das UN-Kinderhilfswerk UNICEF rief dazu auf, bei der Rückeroberung der Millionenstadt Kinder besonders zu schützen. Diese hätten bereits in den vergangenen zwei Jahren stark gelitten. In den kommenden Wochen droht mehr als 500.000 Kindern und ihren Familien in der nordirakischen Stadt Mossul extreme Gefahr. Nach UNICEF-Angaben könnten viele Mädchen und Jungen vertrieben werden. Auch könnten sie zwischen die Frontlinien oder ins Kreuzfeuer geraten, erklärte der Leiter von UNICEF Irak, Peter Hawkins.

Weil die Organisation eine große Flüchtlingsbewegung erwartet, brachte das Hilfswerk vorsorglich Hygieneartikel, Latrinen, mobile Duschen und Materialien zur Wasserversorgung für 150.000 Menschen in die Region, teilte UNICEF Deutschland in Köln mit. Insgesamt sollten in den kommenden Wochen Hilfsgüter zur Versorgung von 350.000 Menschen bereitgestellt werden. Zudem bildete UNICEF nach eigenen Angaben mobile Teams aus, um schwer traumatisierte und verletzte Kinder zu betreuen und zu versorgen. Spezielle Impfteams sollen ankommende Kinder gegen Masern und Polio (Kinderlähmung) impfen. Die Vereinten Nationen rechnen damit, dass sich eine Million Menschen und mehr auf die Flucht begeben könnten.

Amnesty: Zivilisten sind "Opfer von Folter und willkürlicher Inhaftierung"

Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) befürchtet viele zivile Opfer. Die macht paramilitärische Milizen und Regierungstruppen im Irak für schwere Menschenrechtsverstöße und Kriegsverbrechen verantwortlich. Tausende vor der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) geflohene Zivilisten seien "Opfer von Folter, willkürlicher Inhaftierung, Verschwindenlassen und außergerichtlichen Hinrichtungen" geworden, heißt es in dem umfassenden Bericht der Menschenrechtsorganisation, der auf Aussagen von mehr als 470 ehemaligen Gefangenen, Augenzeugen sowie Verwandten von Personen, die inhaftiert, getötet oder verschwunden sind, basiert. "Nachdem sie den Schrecken des Krieges und der Tyrannei des IS entkommen sind, drohen sunnitischen Arabern im Irak brutale Vergeltungsschläge durch Milizen und Regierungstruppen", sagte Amnesty-Experte Philip Luther. Sie würden für die Verbrechen des IS bestraft. "Im Kampf um Mossul müssen die irakischen Behörden sicherstellen, dass solche schweren Menschenrechtsverstöße verhindert werden", forderte Luther. Die Staaten, die den Militäreinsatz gegen den IS im Irak unterstützten, müssten zeigen, "dass sie solche Verstöße nicht länger dulden".

Am zweiten Tag der Großoffensive auf die nordirakische IS-Hochburg Mossul wehrten Sicherheitskräfte nach eigenen Angaben mehrere Gegenangriffe der Extremisten ab. Ein Militärsprecher erklärte, südlich von Mossul hätten Armee und lokale sunnitische Milizen nahe der Stadt Al-Kajara mindestens drei Vorstöße des IS zurückgeschlagen. Mindestens 30 Extremisten seien getötet worden, hieß es weiter. Angaben über eigene Opfer machte der Militärsprecher nicht. Das IS-Sprachrohr Amak berichtete im Internet, der IS habe bei den Angriffen mehrere Selbstmordattentäter eingesetzt.

Proteste gegen türkische Truppen im Nordirak

Die irakische Armee, kurdische Peschmerga-Kämpfer und lokale Milizen hatten eine Offensive auf Mossul begonnen. Eine internationalen Koalition unterstützt die irakische Armee sowie regionale Streitkräfte im im Kampf gegen die Dschihadistenmiliz. Die Kurden nahmen nach eigenen Angaben östlich der Stadt neun Dörfer ein. Der Sprecher der US-Streitkräfte, John Dorrian, erklärte über Twitter, Armee und Peschmerga hätten ihre Ziele bisher im oder vor dem Zeitplan erreicht.

Irak Mossul Militäroffensive gegen IS
Luftangriffe auf die Stadt Mossul: Tausende Menschen leben noch dortBild: picture-alliance/AP Photo/K. Mohammed

Hunderte Iraker demonstrierten vor der türkischen Botschaft in der irakischen Hauptstadt Bagdad gegen die Präsenz türkischer Truppen. In Sprechchören forderten sie den Abzug der Soldaten, berichteten lokale Medien und Augenzeugen. Die Regierung in Bagdad fordert seit langem den Abzug der rund 2000 türkischen Soldaten, die Ankara im kurdischen Autonomiegebiet im Nordirak stationiert hat. Allein 500 davon sind auf der Militärbasis Baschika, wo sie sunnitische Milizen für den Kampf gegen die Dschihadisten trainieren.

Flucht von IS-Kämpfern nach Europa

Angesichtes der noch lange dauernden Gefechte fürchtet der neue EU-Sicherheitskommissar Julian King, dass als Folge gewaltbereite IS-Kämpfer nach Europa zurückkommen könnten. "Das ist eine sehr ernste Bedrohung, auf die wir vorbereitet sein müssen", sagte King der Tageszeitung "Welt". Zwar sei es unwahrscheinlich, dass es nach einem Fall der Stadt Mossul "einen Massenexodus von IS-Kämpfern nach Europa geben wird", sagte King. Es befänden sich derzeit insgesamt noch rund 2500 IS-Kämpfer aus EU-Ländern in den Kampfgebieten. Vergleichbare Fälle in der Vergangenheit, wie etwa Afghanistan, hätten gezeigt, "dass am Ende nur einige Kämpfer zurückkehren, weil einige von ihnen im Gefecht gefallen sind oder aber sich neue Kampfschauplätze suchen", fügte der EU-Kommissar hinzu. Aber selbst eine kleine Anzahl stelle eine ernste Gefahr dar. King forderte aus diesem Grund höhere Sicherheitsstandard an den EU-Außengrenzen und eine intensive Kontrolle der vorgelegten Pässe und Dokumenten, um gefälschte Papiere sicherzustellen. 

Nach einem Gespräch mit EU-Sicherheitskommissar Julian King in Berlin sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière: "Ich sehe durch den Kampf gegen den IS vor Ort keine zusätzliche Gefährdung von Deutschland - die Gefahr ist bereits hoch." Eine Verlagerung der Gefahr von Syrien und Irak nach Europa bestehe bereits, wie sich in Anschlägen und Anschlagsversuchen zeige. Er setze auf eine "gute nationale und internationale Zusammenarbeit", um bisher unbekannte Gefährder aus der Krisenregion zu erkennen.

pab/stu (afp, dpa, epd, rtr)

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