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Anti-Europa-Partei auf dem Sprung ins EU-Parlament

Bernd Riegert, Brüssel3. Juni 2004

Briten sehen Europa traditionell skeptischer als andere EU-Bürger. Bei der Europa-Wahl könnten britische Anti-Europäer erstmals den Sprung ins EU-Parlament schaffen. Dann wollen sie für dessen Abschaffung eintreten.

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Ein "Biest" gegen Europa: Die Schauspielerin Joan Collins unterstützt die Anti-EuropäerBild: AP
Ant-Europapartei England Robert Kilroy-Silk Porträtfoto
Robert Kilroy-Silk ist Spitzenkandidat der Anti-Europa-ParteiBild: AP

Eine Meinungsumfrage sah die "Unabhängigkeitspartei" bereits bei 18 Prozent-Punkten, als drittstärkste Kraft in Großbritannien. Unterstützt von konservativen Boulevard-Zeitungen und mit geschickter Öffentlichkeitsarbeit sorgen die bisherigen Außenseiter jede Woche für Schlagzeilen und gewaltiges Medien-Interesse. Kein Wunder, denn dieses Metier beherrscht Robert Kilroy-Silk. Der hochgewachsene, silberhaarige, stets in feines Tuch gekleidete Spitzenkandidat war bis vor ein paar Monaten noch Gastgeber einer Fernseh-Talk-Show, bis er wegen angeblich rassistischer Bemerkungen gehen musste.

Gegen Chirac und Schröder

Mit der vermeintlichen Bevormundung durch "die da" in Brüssel will Kilroy-Silk endlich Schluss machen: "Ich will nicht von Schröder und Chirac regiert werden", sagt er. "Wir haben doch in unserer Geschichte nicht all die Institutionen geschaffen, um jetzt die Souveränität an Frankreich und Deutschland abzutreten. Mein Vater ist gewiss nicht im Krieg gefallen, damit wir jetzt von Schröder und Chirac regiert werden."

Die alternde Diva und Schauspielerin Joan Collins, weltbekannt als Biest aus der Fernsehserie Dynasty oder Denver-Clan, kämpft an der Seite der Unabhängigkeitspartei. "Sie wollen mein England töten", giftete sie in einem Zeitungskommentar über die Eurokraten in Brüssel.

"Gezänk und veruntreute Gelder"

Da stimmt Dennis Jackson zu. Er verkauft Fish und Chips in seinem kleinen Laden in London. Der treue Anhänger der Europa-Gegner meint, die EU habe dafür gesorgt, dass britische Fischer keinen Fisch mehr in der Nordsee fangen dürften: "Wir sind Überlebenskünstler. Wir brauchen keinen gemeinsamen Markt. Das gibt nur Gezänk und veruntreute Gelder."

Nein zur Verfassung. Nein zum Euro. Nein zur Mitgliedschaft. Das ist das kurze Programm der "Unabhängigkeitspartei". Nicht alle Passanten am lila-gelben Wahlkampfstand mit dem mannshohen Pfund-Sterling Zeichen in Gold teilen diese Parolen: "Die leben doch in der Vergangenheit", sagt dort einer und ein anderer fügt hinzu: "Aus der Europäischen Union austreten, das würde unserem Land gar nichts bringen."

Sammelbecken

In den Wahlkampf-Broschüren der "Unabhängigen" steht das Wort Europa-Parlament stets in Anführungszeichen, weil Robert Kilroy-Silk das Parlament für überflüssig hält. Trotzdem drängt es ihn nach Straßburg und Brüssel, weil er die Institutionen von innen her sprengen will. Er will zurück zu einer losen Freihandelszone mit dem glorreichen Britannien an der Spitze: "Wir wissen, dass viele Parlamentarier der neuen Mitgliedsstaaten nicht für einen Superstaat, sondern für eine Freihandelszone sind. Sie sympathisieren mit Amerika und wir stimmen mit ihnen überein. Wir werden im Europäischen Parlament eine große Fraktion der Euro-Skeptiker bilden. Es wird sich vieles verändern."

Die Unabhängigkeitspartei ist nach Meinung britischer Experten Sammelbecken für Nationalisten, Rassisten und Gegner von Asylverfahren. Dennoch hat die regierende Labourparty den Stimmungs-Trend aufgegriffen. Bei den EU-Verfassungsverhandlungen redet Außenminister Jack Straw ständig von roten Linien, die die Unabhängigkeit Großbritanniens wahren sollen. Straw versprach, Britannien nicht auf dem Altar Europa opfern zu wollen.