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Anti-Amerikanischer Wahlkampf

9. August 2009

Je näher die Bundestagswahl rückt, desto offensichtlicher wird es: der Kampf um die deutsche Kanzlerschaft wird immer anti-amerikanischer. Nicht inhaltlich, aber vom Stil her.

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Bild: DW

Es ist Wahlkampf in Deutschland. Hunderttausende Menschen strömen an die Siegessäule, feiern ihren Kandidaten, lachen, singen. Es ist ein rauschendes, buntes Fest der Demokratie. Und wie er da auf die Bühne kommt: ruhig, sicher, ein Meister der großen Geste. Es ist ein Triumphzug für Barack Obama.

Vor einem Jahr, im Juli 2008, haben sich die Deutschen kollektiv in den US-Präsidentschaftskandidaten verliebt. Und voller Hingabe schmachteten Millionen Landsleute vor ihren Fernsehern und seufzten: Warum haben wir nicht so einen bei uns als Kandidaten? Und die Medien orakelten schon, wie sehr der Obama-Faktor auch in Deutschland den Bundestagswahlkampf 09 verändert. Ein Jahr später steht fest: Gar nicht.

Neue Nüchternheit

Denn je näher die Wahl im September rückt, desto nüchterner werden die Wahlkämpfer. Und zwar die aller Parteien. Die Kanzlerin macht derzeit gar keinen Wahlkampf. Sie macht Urlaub und keinen Mucks. Und von ihrem nüchternen Stil ist sie bislang nur einen Millimeter abgerückt: Jetzt macht sie Witze darüber, dass sie keine Witze machen kann. Frank-Walter Steinmeier hatte kurzfristig mit seinen Beratern daran gebastelt, ein bisschen Obama-Faktor in den Wahlkampf zu bringen. Plötzlich hieß er nur noch Frank Steinmeier, weil andere Sozialdemokraten ihm gesagt hatten, dass klinge irgendwie “lebenspraktischer”.

Die lebenspraktische Phase hat ihm allerdings ein Umfragentief nach dem anderen beschert. Deswegen heißt Frank jetzt wieder Frank-Walter. Und der setzt auch wieder auf das, was er am besten kann: den Versuch, mit nüchterner Überzeugung komplexe politische Prozesse anzuschieben. Das hat er diese Woche mit seinem sogenannten “Deutschlandplan” vorgeführt. Steinmeier wirbt für einen “New Green Deal”, also einen Weg, die Wirtschaft ökologischer zu machen, die Bildung sozial-gerechter und das Gesundheitssystem qualifizierter. Insgesamt ist es ein unspektakulärer Plan. Aber ein anständiger, trotz aller überkandidelten Wahlkampfversprechen.

Keine große Show

Die Deutschen können nicht Obama. Aber vor allem wollen sie es nicht. Zum einen sind es die Politiker, die sich dagegen sträuben. Deutschen Parlamentarier haben eine historisch begründete Skepsis gegenüber jeder Form von Überhöhung eines einzelnen politischen Akteurs. Solide Gesetze haben im politischen Betrieb einen weitaus höheren Stellenwert als bombastische Heilsversprechungen. Zum anderen sträuben sich aber auch die Wähler gegen die große Show, gegen Wahlkampfbombast und milliardenschwere Materialschlachten. Wenn Politiker ihnen zu viel versprechen, werden sie misstrauisch.

Und Politiker, die zu sehr auf Show setzen werden nach einer kurzen Phase der Faszination abgestraft. So bleibt der deutsche Wahlkampf am Ende deutsch. Trotz Twitter und Internetbloggs. Und mit dem deutsch-amerikanischen Verhältnis bleibt auch im Jahr Eins der Zeitrechnung Obama alles beim Alten: Wir lieben Hollywood, Disney World und die ganze kitschige Show. Aber zufriedener sind wir mit Gartenzwergen und einem ehrlichen kleinen Teich im eigenen Garten.

Autor: Hans Pfeifer
Redaktion: Reinhard Kleber