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Anschläge auf Christen im Irak

10. November 2010

Im Irak gerät die christliche Minderheit zunehmend ins Visier muslimischer Extremisten. Bei neuen Angriffen wurden mindestens fünf Christen getötet und etwa 30 verletzt.

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Iraker vor dem zerstörten Haus eines Christen in Bagdad (Foto: dpa)
Iraker vor dem zerstörten Haus eines ChristenBild: picture alliance / dpa

In jüngster Zeit scheinen die Christen, etwa 600.000 gibt es noch im Land, verstärkt im Blickfeld sunnitischer Extremisten zu stehen.

Zehn Tage nach der blutigen Geiselnahme in einer katholischen Kirche sind am Mittwoch (10.11.2010) bei einer Serie von Bomben- und Granatwerferangriffen auf Häuser und Geschäftsgebäude von Christen in Bagdad mindestens fünf Menschen getötet und mehr als 30 verletzt worden.

Verzweiflung unter der christlichen Minderheit

Fassungslos stehen Iraker vor den Resten ihres Fahrzeugs (Foto: dpa)
Fassungslos stehen Iraker vor den Resten ihres FahrzeugsBild: picture alliance / dpa

"Was können wir tun? Sie jagen die Christen in allen Stadtteilen der Hauptstadt", beklagte der aufgewühlte chaldäische Patriarch Emmanuel III. Delly im Telefongespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters. "Die Christen können die Angreifer nicht aufhalten!"

Viele Christen erwägen inzwischen, ihre Heimat aufzugeben. "Seit zwei Jahren versucht mich meine Frau davon zu überzeugen, dass wir den Irak verlassen sollen", berichtet Rajed Wissam einem Reporter. "Jetzt bin ich auch überzeugt, dass sie Recht hat. Ich will mich nicht schuldig fühlen müssen, wenn meinen Kindern etwas passiert." Der 42-Jährige schlief nach eigenen Angaben gerade in seinem Haus im Viertel Dora im Süden Bagdads, als er durch Explosionen in der Nachbarschaft geweckt wurde.

Irakische Regierung scheint machtlos

Polizeifahrzeug vor der syrisch-katholischen Kirche in Bagdad (Foto: AP)
52 Menschen wurden beim Überfall und der Befreiung des Gotteshauses in Bagdad getötetBild: AP

Im Innenministerium in Bagdad hieß es, die nächtlichen Angriffe seien eine Fortsetzung der blutigen Geiselnahme in einer syrisch-katholischen Kirche vom 31. Oktober. Dabei waren 52 Menschen getötet worden. Zu der Tat bekannte sich der Ableger des Terrornetzwerks El Kaida "Islamischer Staat Irak".

Kirchenvertreter bitten um Hilfe

Der Erzbischof der syrisch-katholischen Kirche in Bagdad, Athanase Matti Schaba Matoka, rief die Weltöffentlichkeit auf, Christen im Irak zu schützen. Der irakischen Regierung warf er Untätigkeit vor. "Man will uns vertreiben und ist dabei erfolgreich." Der Vatikan forderte die irakischen Behörden auf, den Schutz der Christen "ernsthaft zu überdenken".

Deutsche Kirchenvertreter sind sehr besorgt

Der Auslandsbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland EKD, Martin Schindehütte, sagte: "Wir müssen damit rechnen, dass die Gewalt irakische Christen weiter aus dem Land treibt." Die kirchenpolitischen Sprecher von Union und FDP, Maria Flachsbarth und Stefan Ruppert, plädierten für bilaterale Gespräche mit dem irakischen Regierungschef Nuri Al-Maliki. Zudem sollte man über eine neue Aufnahme irakischer Flüchtlinge in Deutschland nachdenken.

Autorin: Susanne Eickenfonder (mit epd, dpa, afp, kna)
Redaktion: Ursula Kissel