1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Ankara droht Demonstranten mit Armee

17. Juni 2013

Nach abermaligen Demonstrationen verschärft die türkische Regierung nochmals den Ton gegenüber der hartnäckigen Protestbewegung. Vize-Regierungschef Arinc sagte, notfalls könne auch das Militär zum Einsatz kommen.

https://p.dw.com/p/18rII
Vize-Regierungschef Bülent Arinc (Foto: afp/Getty Images)
Bülent ArincBild: AFP/Getty Images

Die Zeichen in der Türkei stehen auf Sturm. Zum ersten Mal hat die Führung in Ankara den Demonstranten im Lande mit einem Einsatz der Armee gedroht. Falls es nötig sei, würden auch die Streitkräfte eingreifen, sagte Vize-Regierungschef Bülent Arinc (Artikelbild) im Staatsfernsehen. "Die Polizei ist da. Wenn das nicht reicht, die Gendarmerie. Wenn das nicht reicht, die türkischen Streitkräfte", so Arinc. Die Regierung werde alles Nötige unternehmen, um das Gesetz durchzusetzen.

Innenminister Muammer Güler drohte Internet-Aktivisten sowie Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes, die sich an Streiks oder Demonstrationen beteiligen, mit verschärfter Strafverfolgung. "Diese Demonstrationen dieser fünf Gewerkschaften sind nicht legal", sagte der Minister nach Angaben der amtlichen Nachrichtenagentur Anadolu. Wer Meinungsmache betreibe und zu Demonstrationen über Twitter und Facebook aufrufe, werde verfolgt. Am Sonntag hatte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan vor etwa 100.000 Anhängern die Demonstranten als "Terroristen" verunglimpft.

Innenminister Muammer Güler (Foto: afp/Getty Images)
Auch Innenminister Muammer Güler verschärft den TonBild: A.Altana/AFP/GettyImages

Gewerkschaften rufen zu Streiks auf

Die Polizei ging unterdessen wieder massiv gegen regierungskritische Demonstranten vor. Für Montag hatten zwei Gewerkschaften und mehrere Berufsverbände zu Streiks und Demonstranten aufgerufen. In Istanbul hielt die Polizei die Protestierer am Nachmittag davon ab, zum Taksim-Platz zu gelangen. In Ankara standen sich rund 1000 Streikende und Polizisten gegenüber.

In Ankara hatten Sicherheitskräfte in der Nacht Wasserwerfer und Tränengas gegen Gegner der Regierung Erdogan eingesetzt. In Istanbul hinderte die Polizei Zehntausende Demonstranten gewaltsam daran, zum Taksim-Platz zu ziehen. Aktivisten berichteten, bei der Räumung des Gezi-Parks in Istanbul habe die Polizei Spritzwasser eingesetzt, das mit Chemikalien versetzt sei und die Haut von Demonstranten verätzt habe.

Die Polizei nahm zuvor bereits bei den heftigen Protesten nach der Räumung des Gezi-Parkes Hunderte Menschen fest. Allein in Istanbul seien mindestens 440 Menschen in Gewahrsam, berichtete ein Mitarbeiter der Rechtsanwaltskammer.

Merkel ist "erschrocken"

Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisierte, die Sicherheitskräfte in Istanbul seien aus ihrer Sicht "viel zu hart vorgegangen". Sie sagte dem Fernsehsender RTL: "Das, was im Augenblick in der Türkei passiert, entspricht nicht unseren Vorstellungen von Freiheit der Demonstration, der Meinungsäußerung." Zu den Fernsehbildern von der Räumung des Gezi-Parks in Istanbul sagte sie: "Ich bin erschrocken, wie viele andere Menschen auch."

Angesichts der Gewaltwelle mahnte das Auswärtige Amt in Berlin Touristen in der Türkei zu besonderer Umsicht. "Reisende werden gebeten, sich von Demonstrationen und Menschenansammlungen fernzuhalten und Vorsicht walten zu lassen", heißt es in einem aktuellen Reisehinweis. Ausdrücklich genannt werden die Städte Istanbul, Ankara und Izmir. Die Mahnung gilt aber auch für weitere Städte.

Westerwelle kritisiert Eskalation der Gewalt in der Türkei

Die landesweite Protestwelle in der Türkei hatte sich vor mehr als zwei Wochen an der brutalen Räumung eines Protestlagers im Gezi-Park entzündet. Die Regierung plant dort den Nachbau einer osmanischen Kaserne mit Wohnungen, Geschäften oder einem Museum. Inzwischen richten sich die Demonstrationen aber vor allem gegen den autoritären Regierungsstil Erdogans.

Erdogan-Anhänger mit Messern unterwegs

In der Nacht zum Montag mischten sich laut Augenzeugen erstmals mit Knüppeln und Messern bewaffnete Anhänger Erdogans in die Straßenkämpfe rund um den Taksim-Platz ein. Sie riefen: "Im Namen Gottes" und "Erdogan". Die Polizei habe nicht eingegriffen. Zudem attackierten die Erdogan-Anhänger ein Büro der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP) wurde attackiert.

Der Hamburger Filmregisseur Fatih Akin, bekannt durch den preisgekrönten Spielfilm "Gegen die Wand", rief den türkischen Staatspräsidenten Abdullah Gül in einem offenen Brief auf, die Gewalt in seinem Land zu beenden. "Ich appelliere an Ihr Gewissen: Stoppen Sie diesen Irrsinn!", heißt es in dem auf Deutsch und Türkisch verfassten Schreiben.

kle/gmf (dpa, afp, rtr)