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Keine Menschenrechte in Syrien

7. Dezember 2011

Mord, Folter, Vergewaltigung - in Syrien verstößt das Regime Assad gegen die Menschenrechte. Die internationale Gemeinschaft versucht mit wirtschaftlichen Sanktionen gegenzusteuern, doch bisher ohne Erfolg.

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Syrer schmeißen Gegenstände auf Panzer, Daraa, 24.04.2011. (Foto: AP)
Assads Panzer gegen DemonstrantenBild: AP

Mohammed L. trägt eine lange Narbe im Gesicht. Ein Schuss hat sein Jochbein zerfetzt, sein Gebiss, seine Lippe. Mohammed kommt aus Daraa, einem kleinen Ort in Syrien an der jordanischen Grenze. Hier hat der Aufstand gegen das Regime von Baschar al-Assad im März begonnen und Mohammed war vom ersten Tag an dabei. Es war Freitag, der 22. April, an dem Mohammed wieder einmal zum Demonstrieren auf die Straße ging und die Armee das Feuer eröffnete. Ohne Warnung hätten die Soldaten geschossen, sagt Mohammed. Er schmiss sich auf den Boden, ging in Deckung und trotzdem traf ihn ein Schuss mitten ins Gesicht. "Es tat so weh, ich konnte nicht mal um Hilfe rufen", sagt er. "Ich habe dann gewunken und irgendwelche Leute haben mich ins Krankenhaus gebracht."

Im Krankenhaus nähten die Ärzte die Wunde zu, doch länger konnte er hier nicht bleiben. Soldaten kommen regelmäßig ins Krankenhaus und erschießen Verwundete und die Ärzte, die ihnen helfen. Mohammed flüchtete zunächst zu Verwandten aufs Land, dann nach Damaskus und schließlich nach Kairo ins Exil. Hier wird er medizinisch versorgt.

Wer überlebt, wird gefoltert

Mohammed ist mit dem Leben davongekommen. Viele andere nicht. Die UN schätzt, dass das Regime Assad seit Beginn des Aufstands vor acht Monaten mindestens 4.000 Menschen getötet hat. Oppositionelle syrische Gruppen gehen sogar von bis zu 10.000 Toten aus.

Syrischer Junge mit einem Plakat: "Stoppt das Töten!" in Daraa, Syrien, 25.04.2011(Foto: Handyfoto von Demonstrationsteilnehmern / AP)
Auch Kinder demonstrierenBild: AP

Und wer bei einer Demonstration nicht sofort erschossen wird, dem drohen Verschleppung und Folter. Freigelassene berichten davon, dass sie kein Essen, kein Wasser und keinen Schlaf bekommen haben. Ihre Peiniger ziehen Fingernägel heraus oder verätzen Augen. Sie vergewaltigen Frauen wie Männer oder verbrennen ihre After mit Zigaretten. Sie lassen niemanden aus – auch Kinder zählen zu den Opfern. Der Menschenrechtsaktivist Bassam Ishaq gehört zum syrischen Nationalrat, der größten syrischen Oppositionsbewegung. Dass die Verbrechen gegen die Menschlichkeit bald aufhören, glaubt er nicht - im Gegenteil. "Die Situation wird immer schlimmer", so Basam Ishaq, "früher waren die Demonstrationen nur freitags, inzwischen wird täglich demonstriert und auch täglich getötet."

Der Westen zögert

Während das Regime in Damaskus mit aller Härte gegen Zivilisten vorgeht, greift die internationale Staatengemeinschaft nur langsam und zaghaft ein. Der UN-Sicherheitsrat hat die Gräueltaten in Syrien nicht verurteilt. China und Russland haben das bereits zwei Mal verhindert.

Die USA haben im April mit ersten Sanktionen reagiert, die EU zog im Mai nach. Seither werden die Schrauben für Syrien gemächlich fester gedreht. Die EU hat bereits die zehnte Sanktionsrunde hinter sich: Ölembargo, Vermögens- und Einreisesperren, 30 syrischen Unternehmen ist der Handel in der EU mittlerweile verboten. Waffen, Geräte und Software, die zur Überwachung dient - all das darf nicht mehr nach Syrien exportiert werden.

Die Arabische Liga hält sich zurück

Der leere Stuhl des syrischen Delegierten beim Treffen der Außenminister der Arabischen Liga in Rabat, Marokko, 16.11.2011. (Foto: AP/dapd)
Syriens Sitz in der Arabischen Liga - leerBild: dapd

Die Arabische Liga ist geduldig und gewährt Damaskus immer neuen Aufschub. Ein dreiviertel Jahr hat sie mit angesehen, wie ihre arabischen Brüder in Syrien nach und nach von der Diktatur aufgerieben und getötet wurden.

Erst Mitte November hat die Liga dann Syriens Mitgliedschaft suspendiert und Sanktionen beschlossen. Jedenfalls theoretisch – denn die Praxis sieht anders aus: Mehrere Mitglieder haben bereits angekündigt, sich nicht an die Sanktionen zu halten.

Martin Beck, Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Amman, schätzt den Einfluss der internationalen Gemeinschaft in Syrien gering ein. "Wenn man nicht bereit ist, militärisch zu intervenieren, dann sind die Möglichkeiten begrenzt", sagt er. Mittelfristig bleibe nur eine Möglichkeit: wirtschaftliche Sanktionen.

Sanktionen bleiben Nadelstiche

Die Sanktionen werden der Gewalt in Syrien so schnell kein Ende setzen. Bis Assad diese schmerzhaft zu spüren bekommt, ist es noch ein langer Weg. Bereits angekommen sind sie bei den kleinen Leuten. Seit Beginn der Aufstände ist der Handel um rund 30 Prozent eingebrochen. Falls USA, EU und die Arabische Liga an einem Strang ziehen, könnten ihre Maßnahmen mittelfristig dazu führen, dass das Regime in Zahlungsschwierigkeiten gerät. Es müsste dann Gehälter von öffentlichen Beschäftigten kürzen, und das beträfe rund 30 Prozent aller Syrer. Möglich, dass sich dann immer mehr Menschen an den Protesten auf der Straße beteiligen.

Syrer zeigt Protest-Plakat, Hama, Syrien, 28.11.2011(Foto: dpa)
Viele Syrer wünschen sich eine FlugverbotszoneBild: picture-alliance/dpa

Dem syrischen Nationalrat gehen die Sanktionen nicht weit genug. Bassam Ishaq fordert militärischen Schutz für syrische Zivilisten: "Wenn wir diesen Schutz haben, können wir andere dazu motivieren, am Protest teilzunehmen."

Doch so lange die demonstrierende Bevölkerung nicht geschützt wird, wird das Töten weitergehen. Der Syrer Mohammed ist besorgt um seine Familie und seine Freunde. Er selber steht sowieso auf der schwarzen Liste. Er weiß: Wenn er jetzt einreist, wird er umgebracht. Und so wartet Mohammed machtlos und hoffnungsvoll in Kairo – auf den Tag, an dem das Unrecht in Syrien endet und die Menschenrechte geachtet werden. Auf den Tag, an dem Baschar al-Assad und sein Regime zurücktreten – erst dann kann Mohammed zurück zu Freunden und Familie in sein Heimatland.

Autorin: Viktoria Kleber
Redaktion: Beate Hinrichs