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Angst vor Naturkatastrophen auf Rekordhöhe

8. September 2011

Wovor fürchten die Deutschen sich am meisten? Diese Frage beantwortet eine Langzeitstudie einer deutschen Versicherungsgesellschaft. An der Spitze der Skala: teure Lebenshaltung, Wirtschaftsabschwung und Umweltschäden.

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Mann hält abwehrend die Arme vor sein Gesicht (Foto: www.bilderbox.com)
Angst muss sich nicht immer so offen zeigen, wie bei diesem MannBild: bilderbox.com

Im englischen Sprachraum hat sich das deutsche Wort "Angst" längst fest etabliert, weil dort die Deutschen als besonders ängstlich und zögerlich gelten. Aber stimmt das überhaupt, sind die Deutschen ein Volk von Angsthasen? Und falls ja, wovor ängstigen sie sich am meisten?

Antworten auf diese Fragen gibt eine Langzeitstudie, die die R+V Versicherung in Zusammenarbeit mit Politikwissenschaftlern der Universität Heidelberg erstellt hat. Sie erforschen seit zwanzig Jahren, welche Ängste die Deutschen umtreiben. Am Donnerstag (08.09.2011) wurden die Ergebnisse für das Jahr 2010 vorgestellt.

Zukunftsängste: Wenn das Leben zu teuer wird

Die Ängste der Deutschen lagen der Studie zufolge im Jahr 2010 in einigen Bereichen auf Rekordhöhe, in anderen Feldern nahe an früheren Rekordmarken. So sagte jeder zweite Deutsche, er habe "große Angst". Für die Statistiker bedeutet das ein durchschnittliches Angstniveau von 50 Prozent. Und das ist der zweithöchste Wert seit Beginn der Studie vor 20 Jahren. Höher lag das Niveau nur in den Jahren 2003 und 2005 mit jeweils 51 Prozent. Im Jahr 1991 lag der Angstindex dagegen noch bei 27 Prozent.

Besonders stark nahmen die Ängste bei Männern zu. Nie zuvor blickten sie sorgenvoller in die Zukunft als im vergangenen Jahr: 48 Prozent haben große Zukunftsängste. Zum Vergleich: 2009 waren es noch 42 Prozent.

Mann zeigt seine fast leere Hosentasche (Archivfoto: bilderbox)
Mehr als zwei Drittel der Deutschen haben Angst, zu wenig Geld zum Leben zu habenBild: Bilderbox

Angst machen den Deutschen vielerlei Dinge: Dazu gehören wirtschaftliche und politische Themen ebenso wie externe Bedrohungen (Terror), Umweltschäden und persönliche Schicksalsschläge. An der Spitze der deutschen Ängste standen 2010 die wirtschaftlichen Unwägbarkeiten des Lebens. "Mehr als zwei Drittel der Bundesbürger fürchten sich vor steigenden Lebenshaltungskosten und Wirtschaftsabschwung", sagt Rita Jakli, Leiterin des Infocenters der R+V Versicherung in einer Pressemitteilung des Unternehmens. Damit blieben diese Sorgen auf Platz eins und zwei. "Auf Rekordhöhe geschnellt ist diesmal das Thema Umwelt", erklärte Jakli weiter. 64 Prozent der Bürger befürchteten demnach, dass die Zahl der Naturkatastrophen zunehmen werde. "Das sind so viele wie noch nie", sagte Jakli.

Hintergrund der steigenden Angst vor Umweltkatastrophen könnten Medienberichte über den Ausbruch des Vulkans in Island und über die gigantische Ölpest im Golf von Mexiko sein, erklärte der Politologe Manfred Schmidt. Er ist Professor an der Universität Heidelberg und wissenschaftlicher Berater der R+V Versicherung. Diese beiden Umweltthemen dominierten nach Schmidts Einschätzung 2010 lange Zeit die Nachrichten in Deutschland und lösten große Umweltängste aus. Mit Spannung bleibt angesichts dieser Entwicklung abzuwarten, welche Auswirkungen der Tsunami und die Atomkatastrophe in Japan in diesem Frühjahr auf den deutschen Angstindex im Jahr 2011 haben werden.

Ost und West fürchten sich vor demselben

Vulkanaschewolke steigt in Himmel auf (Archivfoto: AP/dapd)
Bilder des Vulkanausbruchs auf Island waren für viele Menschen angsteinflößendBild: AP

In den ostdeutschen Bundesländern stieg die Angst vor Umweltkatastrophen mit einem Plus von 13 Prozentpunkten deutlich stärker als im Westen. Und damit lagen die Werte in diesem Bereich in Ost und West erstmals gleichauf. Zuvor war diese Sorge in den westdeutschen Bundesländern traditionell stärker ausgeprägt. "Bei der Nachwende-Generation sind nur noch wenige Unterschiede zwischen Ost und West feststellbar", erklärte Schmidt. "Die jungen Menschen im Osten sind für das Thema Umwelt inzwischen genauso sensibilisiert wie die Westdeutschen."

Die Studie offenbarte auch ein Paradox: Viele Deutsche betrachten ihre Kinder und Enkelkinder, beziehungsweise deren Geburt zwar als die größten Glücksbringer in ihrem Leben. Eine große Zahl von Männern und Frauen in Deutschland scheut sich aber davor, viele Kinder in die Welt zu setzen. Damit verzichten diese Paare nach der Mehrheitsmeinung der Studienteilnehmer auf große Glücksmomente – und schaffen gleichzeitig in ihrem Leben Raum für noch größere Ängste.

Autor: Martin Schrader
Redaktion: Sabine Faber