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Angst vor der "Volkswehr der Krim"

Yulia Vishnevetskaya / Markian Ostaptschuk18. Januar 2015

Die Männer gelten als Garde des Republikchefs der von Russland annektierten Halbinsel Krim, Sergej Aksjonow. Sie selbst bezeichnen sich als "Volkswehr". Doch Menschenrechtler warnen vor der Truppe.

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"Volkswehr der Krim" in Simferopol vor dem Lenin-Denkmal (Foto: DW)
Bild: DW/J.Vishnevets

Auf ihrer Tarnkleidung sind ganz unterschiedliche Abzeichen aufgenäht: "Volkswehr der Krim", "Selbstverteidigung der Krim", "Streitkräfte der Russischen Föderation" oder auch nur "Höfliche Leute". Morgens um acht Uhr stellen sie sich täglich in einer Reihe vor dem Lenin-Denkmal im Zentrum der Stadt Simferopol auf. Es sind nur etwa 30 Mann - denn die restlichen sind "im Dienst": Sie bewachen Behördengebäude, patrouillieren durch die Straßen oder sind an Sondereinsätzen beteiligt. Nach eigenen Angaben ist die Truppe insgesamt 2000 Mann stark.

Ihr Hauptquartier befindet sich im ehemaligen Gebäude der Kommunistischen Partei. Gegenüber ist der Sitz des Ministerrats, der selbsternannten Regierung der Krim. Offiziell besteht die Truppe nur aus Freiwilligen, die angeblich kein Geld erhalten. Doch in persönlichen Gesprächen beklagen sie, sie würden wenig verdienen, nur 300 Rubel am Tag. Auf die Frage, wem sie unterstellt seien, kommt immer dieselbe Antwort: "Wir gehorchen den Gesetzen der Russischen Föderation."

Volkswehr oder Selbstverteidigung

Männer von der "Volkswehr der Krim" in Simferopol (Foto: DW)
Die Männer der "Volkswehr" haben eigene KommandostrukturenBild: DW/J.Vishnevets

Die Männer wollen, dass man sie als "Volkswehr der Krim" bezeichnet. Doch im Alltag sprechen die meisten Einwohner der Halbinsel von der "Selbstverteidigung". So nannten sich die Einheiten, die im März 2014 an den pro-russischen Kundgebungen in Simferopol beteiligt waren und später Kasernen der ukrainischen Armee gestürmt hatten. "Erst drangen dort unbewaffnete Einheiten der sogenannten Selbstverteidigung ein. Ihnen folgten bewaffnete Männer ohne Erkennungsabzeichen. Das waren russische Soldaten", sagt ein unabhängiger Journalist auf der Krim, der ungenannt bleiben möchte.

Nach diesen Ereignissen im März 2014 seien jene Einheiten nicht aufgelöst worden. Bis zum Frühsommer hätten sie keinen offiziellen Status gehabt, so der Journalist. Doch seit Juni würde das "regionale Gesetz über die Volkswehr der Republik Krim" die Aufgaben der Truppe regeln. Das Dokument besage, dass die Männer Behörden und Rechtsschutzorgane bei der Gewährleistung der öffentlichen Ordnung unterstützen könnten. Die Führung der "Volkswehr" obliege dem Ministerrat der Krim. Tatsächlich würde sich die Truppe aber nicht einmal der Polizei unterordnen. Diese habe sogar Angst vor ihr, sagt der Journalist.

"Kampf gegen reaktionäre Kräfte"

Wladimir Magujlo, der sich selbst als "Stabschef der Volkswehr für Erziehungsarbeit" bezeichnet, hält seine Untergebenen für eine "Kaste Auserwählter". "Wir sind am würdevollsten. Als wir im März die Gebäude des Sicherheitsdienstes der Ukraine besetzten, brachten uns die Menschen Tee und Zucker", erinnert er sich. Nun bestehe die Aufgabe seiner Truppe darin, "die reaktionären Kräfte zu bekämpfen, die für die Ukraine arbeiten". Stolz erzählt Magujlo, wie die "Volkswehr" an der Verstaatlichung privater Unternehmen beteiligt gewesen sei, die seiner Meinung nach die ukrainische Armee finanziert hätten.

Die volle Verantwortung für die "Volkswehr" trage die Führung der Krim. "Wir führen nur Anweisungen des Ministerrates und des Regierungschefs aus. Ich habe vollstes Vertrauen zu Sergej Aksjonow", betont Magujlo. Seiner Meinung nach mache der Krim-Republikchef "alles richtig".

Menschenrechtler sind besorgt

Portrait von Tatjana Lokschina (Foto: ITAR-TASS / Denis Vyshinsky)
Tatjana Lokschina von Human Rights Watch fordert die Auflösung der "Volkswehr"Bild: picture-alliance/dpa

Unterdessen erhebt die in Russland, der Ukraine und auf der Krim aktive Organisation "Krim-Feldmission für Menschenrechte" schwere Vorwürfe gegen die "Volkswehr". Deren Mitglieder würden regelmäßig die Rechte von Bürgern verletzen, sie oft erniedrigen, beleidigen, bedrohen und schlagen. Es gebe willkürliche Festnahmen und Konfiszierungen von Eigentum. Die Menschenrechtsaktivisten sehen in der "Volkswehr" ein Instrument zur Einschüchterung der Bevölkerung.

Ängste löst die "Volkswehr" inzwischen sogar unter denen aus, die anfänglich den Anschluss der Krim an Russland unterstützt hatten. "Das Vorgehen der Truppe könnte zu einer massiven antirussischen Stimmung auf der Krim führen", sagt eine Rechtsanwältin aus Simferopol, die ebenfalls ungenannt bleiben möchte. Ihrer Meinung nach sollten die Einheiten der "Volkswehr" so bald wie möglich aufgelöst werden.

Diese Überzeugung teilt auch Tatjana Lokschina vom Moskauer Büro der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. "Das sind illegale bewaffnete Gruppierungen, deren Aktionen gründlich untersucht werden müssen", so Lokschina. "Russland trägt als Staat, der das Gebiet der Krim besetzt hat, die Verantwortung dafür."