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Angst vor der 50-Prozent-Hürde

Nina Werkhäuser16. Mai 2003

Die Slowaken stimmen in einem Referendum über einen möglichen EU-Beitritt ab. Die Regierung mobilisiert die Wähler, damit das Referendum nicht an mangelnder Beteiligung scheitert.

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Bratislava, Hauptstadt der Slowakei und an der Donau gelegen, strebt in die EU

"Unser Beitritt zur EU ist eine wichtige Sache", erklärt Eishockey-Nationalspieler Lubomir Visnovsky seinen Landsleuten in einem Werbespot im slowakischen Fernsehen, "und deshalb gebe ich meine Stimme ab." Ihn und viele weitere Prominente spannt die Regierung ein, um die Slowaken am Freitag und Samstag (16./17.5.) zur Teilnahme am Referendum zu motivieren.

Mehrheit für Beitritt

Hingehen, abstimmen, es nicht den anderen überlassen, das ist die zentrale Botschaft der Werbespots. Nichts fürchtet die Regierung in Bratislava mehr, als dass die Slowaken einfach zu Hause bleiben. Zwar ist die überwältigende Mehrheit für den EU-Beitritt, aber das alleine reicht nicht aus. Nur wenn mehr als 50 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgeben, ist das Referendum gültig. Bei früheren Volksabstimmungen war die Beteiligung immer zu gering, und so macht sich in der Regierung Nervosität breit.

EU Volksabstimmung in der Slowakei
Der slovakische Präsident Rudolf Schuster (mitte), Premierminister Mikulas Dzurinda (r.) Parlamentspräsident Pavol Hrusovsky werben für einen EU-Beitritt und das ReferendumBild: AP

Die Regierung hat deshalb in ihrer Werbekampagne auf Sachargumente weitgehend verzichtet und zielt nur auf die Mobilisierung der Wähler (Foto). Das stört viele, auch Alexander Kurtansky. Der Journalist aus Bratislava hatte sich eine Debatte über das Für und Wider des EU-Beitritts erhofft, doch die sei leider ausgeblieben, beklagt er. Alexander Kurtansky will trotzdem zum Referendum gehen und für den EU-Beitritt stimmen.

Gegen Isolation

Kurtansky hat die außenpolitische Isolation seines Landes unter dem früheren Ministerpräsidenten Meciar noch in guter Erinnerung, und so etwas kann sich seiner Meinung nach in der EU nicht wiederholen. "Also, ich würde nicht von purer Begeisterung sprechen, aber ich glaube, die Slowaken wissen schon, was die EU für positive Sachen bringt. Und dass eigentlich die andere Alternative etwas ziemlich Schlimmes ist, was wir hier schon hatten: eine Isolation. Und das will keiner."

Viele Slowaken sind gegen Übergangsfristen, wenn es um die Jobsuche im Nachbarland Österreich oder in Deutschland geht und befürchten Preiserhöhungen. Die große Mehrheit der Slowaken schätzt die Vorteile aber höher ein als die Nachteile. Die Regierung hofft beispielsweise auf EU-Mittel, um die Entwicklung im wirtschaftlich schwächeren Osten des Landes voranzubringen. Nach Ansicht der EU-Delegation in Bratislava mangelt es aber bisher an korrekten Anträgen für die entsprechenden Gelder. Bis zum Beitritt will die Regierung die Reform der Sozialsysteme vorantreiben. Außerdem wird sie weiteren Druck von der EU bekommen, die teils unter sehr ärmlichen Bedingungen am Rande der Gesellschaft lebenden Roma besser zu integrieren.

Ungeliebter Ausweg

Wenn das Referendum trotzdem an zu geringer Beteiligung scheitern sollte, dann wird das slowakische Parlament den Beitritt beschließen. Pannen dabei sind ausgeschlossen, erklärt der Politikwissenschaftler Grigorij Meseznikov vom "Institute for Public Affairs" in Bratislava: "Die Euro-Skeptiker haben keine politische Plattform in der Slowakei. Es gibt keine größere Partei, die gegen den EU-Beitritt wäre."

Trotzdem hält die Regierung ein mögliches Scheitern des Referendums für fatal und setzt alles daran, die Bürger zu mobilisieren - auch, um einen Parteienstreit zu vermeiden. Die nach der Bronzemedaille bei der Weltmeisterschaft allseits gefeierte Eishockey-Nationalmannschaft muss dafür in Zeitungsanzeigen ebenso herhalten wie die Telekommunikations-Unternehmen: Sie sollen 2,5 Millionen SMS verschicken, damit mehr als 50 Prozent der Wahlberechtigen sich am Freitag und Samstag auf den Weg machen. Vorausgesetzt, dass sie das tun, zweifelt niemand am "Ja" der Slowaken zur EU.