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Angst auf beiden Seiten

Vilma Filaj-Ballvora18. Februar 2013

Die Albaner im Kosovo feiern fünf Jahre Unabhängigkeit von Serbien. Doch der Konflikt um die ehemalige serbische Provinz geht vor allem im Norden des Landes weiter - zum Beispiel in der geteilten Stadt Mitrovica.

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Ein Panzer der KFOR-Truppen steht vor dem Bürgeramt in Nord-Mitrovica (Foto: DW/Filaj-Ballvora)
Bild: DW

Auf dem Weg zur Arbeit geht Adrijana Hodzic jeden Tag an einem Panzer vorbei. Er steht direkt vor dem Bürgeramt in Mitrovica-Nord. Die internationale Kosovo-Truppe KFOR schützt das Amt vor möglichen Angriffen durch politische Extremisten. Ein Großteil der Serben, die im Norden des Kosovo und im nördlichen Sektor der geteilten Stadt Mitrovica leben, erkennen weder die kosovarische Regierung in Pristina noch das von ihr eingesetzte Bürgeramt an. In ihrer Haltung fühlen sie sich auch von der serbischen Regierung in Belgrad bestärkt. Diese weigert sich weiterhin, die Unabhängigkeit des Kosovo offiziell anzuerkennen. Das kosovarische Parlament hatte am 17. Februar 2008 die Unabhängigkeit des Territoriums proklamiert. Inzwischen haben 97 der 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen die Republik Kosovo als unabhängig anerkannt.

Die Teilung ist in Mitrovica in Beton gegossen

"Hier herrscht Gesetzlosigkeit", sagt die junge Leiterin der Stadtteilverwaltung, Adrijana Hodzic. "Durch die ständigen Spannungen ist das Leben hier ermüdend." Die Brücke des Ibar-Flusses zwischen dem serbischen Norden und dem albanischen Süden Mitrovicas ist seit fast zwei Jahren mit Kies und Betonstücken gesperrt - ein Symbol für den Dauerkonflikt im Kosovo. Mit diesem Hass kann die junge Mutter Adrijana Hodzic überhaupt nichts anfangen. Für sie spielen ethnische Unterschiede keine Rolle, sie sieht sich weder als Teil der Gruppe der Albaner noch der Serben. Auf die Frage, zu welcher Volksgruppe sie selbst denn gehöre, möchte sie nicht antworten. Aus der Sicht der albanischen Mehrheitsbevölkerung und der serbischen Minderheit im Kosovo ist sie eine Bosniakin.

Porträt von Adrijana Hodzic, Leiterin des Bürgeramts in Mitrovica-Nord (Foto: DW/ V. Filaj-Ballvora)
Adrijana Hodzic leitet das Bürgeramt in Mitrovica-NordBild: DW/V. Filaj-Ballvora

Meistens ist das Zusammenleben gerade für junge Menschen in Mitrovica nicht einfach. Eines der wenigen positiven Beispiele stellt die von der internationalen Gemeinschaft finanzierte und unterstützte Initiative "Rock School“. Albaner und Serben treffen sich, um gemeinsam Musik zu machen. Der 23-jährige Hobby-Musiker Aleksandar Solic jobbt neben seinem Wirtschafts-Studium in der "Rock School". "Mir kommt es manchmal vor, als ob wir in zwei verschiedenen Welten leben", sagt der junge Serbe. "Eine Isolations-Mentalität hat sich entwickelt. Jede der beiden Gemeinden ist der anderen gegenüber extrem verschlossen.“

Deswegen möchte er, zusammen mit albanischen Freunden von der anderen Seite der Ibar-Brücke, einen gemeinsamen Verein gründen. "Aber das ist zurzeit unmöglich. Es gibt noch zu viel Angst und Hassgefühle. Die gegenseitige Propaganda hält die Menschen voneinander fern", so Aleksandar. Wenigstens kann er inzwischen mit seinen Freunden von der "Rock School" über E-Mail und Facebook in Kontakt bleiben, wenn sie gerade einmal nicht Musik machen.

Diskriminierung auch in den sozialen Medien

Doch jenseits dieser Initiative findet selbst über soziale Netzwerke kaum ein Austausch zwischen albanischen und serbischen Jugendlichen statt. Im Gegenteil: Zu oft würden "beleidigende Bilder und Kommentare gepostet – sowohl von der serbischen als auch von der albanischen Seite", beschwert sich Mathematik-Student Rinor Qollopeku aus dem Süden der Stadt.

Ansicht der Brücke über den Fluss Ibar, die seit fast zwei Jahren gesperrt ist (Foto: DW/Filaj-Ballvora)
Die Ibar-Brücke zwischen dem Norden und dem Süden von Mitrovica ist gesperrtBild: DW

Nur eines verbindet die jungen Menschen auf beiden Seiten: Der Wunsch nach einer besseren Zukunft. Im jüngsten Staat Europas, den es erst seit 2008 gibt, liegt das Durchschnittsalter der Bürger bei 25 Jahren. Und fast die Hälfte von ihnen ist arbeitslos. Sie muss mit weniger als zwei Euro am Tag auskommen. "Eigentlich haben wir uns bessere Perspektiven im neuen Staat Kosovo erhofft", sagt Student Rinor. Doch nach wie vor hätten "die Leute des alten Systems" das Sagen. "Alles, was wir heute haben, ist nur unsere Unabhängigkeit."