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Angriffe auf Buddhisten

Sanjiv Burman2. Oktober 2012

Tausende Muslime haben in Bangladesch wegen angeblicher Verächtlichmachung des Koran buddhistische Tempel und Häuser niedergebrannt. Rund 300 von ihnen wurden festgenommen - zu spät, kritisieren Beobachter.

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A Bangladeshi man stands amidst the torched ruins of the Buddhist temple called Ramu Moitree Bihar (Ramu Friendship Temple) at Ramu, some 350 kilometres (216 miles) southeast of the capital Dhaka on September 30, 2012. Thousands of rioters torched Buddhist temples and homes in southeastern Bangladesh Sunday over a photo posted on Facebook deemed offensive to Islam, in a rare attack against the community. AFP PHOTO (Photo credit should read STR/AFP/GettyImages)
Bangladesch Dhaka Anschlag TempelBild: AFP/Getty Images

Seit Tagen brennen buddhistische Tempel und Häuser im Südosten von Bangladesch. Der Gewaltausbruch mutmaßlicher Islamisten soll auf einen konkreten Fall einer Koran-Beleidigung auf Facebook zurückzuführen sein. Daraufhin haben tausende Menschen buddhistische Heiligtümer zerstört und Häuser in Brand gesteckt. Auch einige hinduistische Tempel sind bei der Gewaltwelle nicht verschont geblieben.

Deckung von ganz oben?

Die Angreifer sollen gut organisiert und gewappnet gewesen sein, wie Sushil Barua von der Minderheitsorganisation BHBCWF (Bangladesh Hindu Buddhist Christian Welfare Front) behauptet, sie hätten "mit LKWs und anderen Fahrzeugen buddhistische Einrichtungen angegriffen. Sie hatten sogar Benzin und Schwarzpulver dabei. Also kann man feststellen, dass sie lange darauf vorbereitet waren.“

Bangladeschs Innenminister Mohiuddin Khan Alamgir (3.v.l.) besucht einen der zerstörten buddhistischen Tempel. (Foto:Reuters)
Bangladeschs Innenminister Mohiuddin Khan Alamgir (3.v.l.) besucht einen der zerstörten buddhistischen TempelBild: Reuters

Barua wirft der Polizei und den Behörden vor, tatenlos zugesehen zu haben, während die Zerstörungen im Gange waren. Sogar der Innenminister Mohiuddin Khan Alamgir soll eine entscheidende Rolle gespielt haben, da er islamistische Gruppen in der Region konsequent gefördert haben soll – so etwa beim Massenprotest gegen den Mohammed-Schmähfilm in den USA. Mittlerweile hat einer der Betroffenen in Dhaka Anzeige gegen die Polizei erstattet.

Selbst nach der ersten Gewaltwelle am Wochenende sollen die Behörden weitere Angriffe nicht verhindert haben. Erst am Dienstag, drei Tage nach Ausbruch der Krawalle, erklärte der Inennminister, 300 Menschen seien im Zuge der Unruhen verhaftet worden. Es handele sich um "radikale Islamisten", es seien aber auch "Rohingya und politische Gegner der Regierung" an den Unruhen beteiligt gewesen. Die Rohingya sind muslimische Flüchtlinge aus dem benachbarten Myanmar.

Sushil Barua kritisiert das seiner Meinung nach zu späte Eingreifend er Sicherheitsbehörden und vermutet gar Absicht dahinter: "Die Regierung hat auf vielen Ebenen versagt. Das Volk ist zutiefst verärgert. Daher versucht die Regierung nun, die Aufmerksamkeit von ihren Fehlern zu lenken, indem sie diese religiösen Unruhen noch anheizt."

Ethnischer Flickenteppich

Nirgendwo in Bangladesch wird die religiöse, sprachliche und ethnische Vielfalt des Landes sichtbarer als im südöstlichen Grenzgebiet. Viele Volksgruppen leben auf beiden Seiten der Grenzen zu Indien und Myanmar. Die Buddhisten machen in ganz Bangladesch nicht einmal ein Prozent der Gesamtbevölkerung aus. In der Region um Chittagong stellen sie fast 45%. Islam und Hinduismus sind die dominanten Glaubensrichtungen sowohl in Bangladesch als auch im benachbarten indischen Bundesland Westbengalen.

Auch die seit Jahren anhaltende Flüchtlingswelle aus Myanmar verändert die demografische Zusammensetzung der Region erheblich. Als muslimische Minderheit im benachbarten Myanmar fühlen sich die Rohingya verfolgt und suchen Zuflucht in Bangladesch. Die Regierung in Dhaka versucht seit langem, das Problem zur internationalen Krise zu erheben und die Verantwortung so auf internationale Organisationen zu übertragen. So fühlen sich die Flüchtlinge auch in ihrer neuen Heimat ausgegrenzt. Die Regierung hat sogar einigen Hilfsorganisationen verboten, die Rohingya unmittelbar zu unterstützen.

Ausgenutzter Frust

Buddhistische Mönche aus Bangladesch formieren sich zum Protestmarsch (Foto:Reuters)
Buddhistische Mönche aus Bangladesch formieren sich zum ProtestmarschBild: Reuters

Unter diesen Umständen versuchen islamistische Gruppen oft, den Frust dieser Muslime auszunutzen und sie gegen die religiösen Minderheiten in Bangladesch aufzuhetzen. Sushil Barua von der Minderheitsorganisation BHBCWF weist darauf hin, dass solche islamistischen Gruppen fast im gesamten Grenzgebiet von Bangladesch stark vertreten sind. Nach der jüngsten Gewaltwelle hat der Innenminister Alamgir selbst diesen Verdacht bekräftigt: "Wir haben dafür gesorgt, dass die Rohingya-Flüchtlinge ohne unsere Erlaubnis nicht mit Menschen vor Ort kommunizieren dürfen."

Die Angriffe auf Buddhisten haben in breiten Schichten der Gesellschaft Empörung ausgelöst. Vertreter der Zivilgesellschaft melden sich zu Wort und verurteilen die Taten. Auch die Oppositionspartei BNP verlangt die lückenlose Aufklärung der Angriffe. Mirza Fakhrul Islam Alamgir, der stellvertretende Generalsekretär der Partei, sagte: "Man muss die Frage stellen, wieso selbst nach dem Besuch des Innenministers vor Ort die Gewaltwelle nicht aufgehört hat. Wir verlangen eine Ermittlung durch einen neutralen Richter." Auch der ehemalige Koalitionspartner der BNP, die islamistische Jamaat-e-Islami, hat die Angriffe verurteilt.

Die jüngsten Ereignisse werden auf Facebook, Twitter und in zahlreichen Blogs heftig diskutiert. Die Mehrheit betont, Bangladesch gehöre allen dort lebenden Bengalen, unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit.