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"Flüchtlinge können nicht für ihren Aufenthalt bezahlen"

Helena Baers13. Januar 2016

Dänemark plant ein Gesetz, wonach Asylbewerbern Wertsachen weggenommen werden dürfen, um ihren Aufenthalt zu finanzieren. Andreas Kamm vom Dänischen Flüchtlingsrat bewertet das Vorhaben im DW-Interview.

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Flüchtlinge aus Syrien an der dänischen Grenze in Padborg . Foto: (Photo by Sean Gallup/Getty Images)
Bild: Getty Images/S. Gallup

DW: Die dänische Regierung hat ein sehr umstrittenes Gesetz ins Parlament eingebracht. Danach sollen Asylbewerbern Wertgegenstände abgenommen werden können, um ihren Aufenthalt in Dänemark mitzufinanzieren. Wie bewerten Sie die Pläne?

Andreas Kamm: Es ist vor allem Symbolpolitik und ich denke, das wissen wir auch alle. Wenn wir über syrische Asylbewerber sprechen: Sie waren vier, fast fünf Jahre unterwegs. Sie haben jegliche Ressourcen, mit denen sie aus Syrien geflohen sind, schon vor langer Zeit verbraucht. Es macht also überhaupt keinen Sinn zu sagen, dass es möglich für sie sei, für ihren Aufenthalt in Dänemark zu bezahlen. Es ist nicht möglich. Wir wissen das, also ist das aus meiner Sicht lediglich Symbolpolitik und nichts anderes.

Die Regierung hat angekündigt, dass Eheringe und andere Gegenstände von sentimentalem Wert nicht beschlagnahmt werden dürfen. Allerdings soll das bei Handys und Computern möglich sein. Gerade Smartphones sind für viele Flüchtlinge ja wichtig, weil sie so Kontakt halten können mit ihrer Familie und Freunden. Denken Sie, dass die Polizei solche Gegenstände beschlagnahmen wird?

Nein, ich bin sicher, dass sie das nicht tun werden. Ich habe einige Statements gelesen, dass Smartphones und ähnliche Gegenstände nicht beschlagnahmt werden, das beunruhigt mich nicht. Mich beunruhigt aber die Art der Signalpolitik, die Dänemark und auch andere europäische Länder derzeit machen.

Dänische Polizisten stehen am Straßenrand (Foto: REUTERS/Fabian Bimmer
Dänische Polizisten können vielleicht bald das Gepäck von Flüchtlingen auf Wertsachen durchsuchenBild: Reuters/F. Bimmer

Zu dem Gesetzespaket gehört auch, dass der Familiennachzug für manche Flüchtlinge auf bis zu drei Jahre verschoben wird. Welche Konsequenzen fürchten Sie?

Dazu gibt es meines Erachtens zwei Aspekte: Erstens wird das den Integrationsprozess ernsthaft erschweren. Zweitens ist es inhuman, Menschen, die rund vier Jahre als Flüchtlinge in Syrien oder einem Nachbarstaat verbracht haben, weitere vielleicht vier Jahre warten lässt, bis ihre Familien nach Dänemark kommen können. Dass es inhuman ist, kann jeder nachvollziehen. Aber so eine Gesetzgebung wird außerdem die Integration verhindern.

Denn wer kann schon ernsthaft teilnehmen an einem Integrationsprogramm, wenn er sich die ganze Zeit Sorgen um seine Frau und seine kleinen Kinder macht, die noch in Syrien oder der Region sind. Man kann nicht erwarten, dass so eine Gesetzgebung die Integration fördert. Es läuft alles unter dem Gedanken, Dänemark weniger attraktiv für Flüchtlinge zu machen. Unglücklicherweise verhindert es aber auch die Integration, was mich besorgt.

Ihrer Ansicht nach sollen die Gesetze also Flüchtlinge davon abhalten, nach Dänemark zu kommen?

Sicher, das ist der Weg, den Dänemark und andere Länder gerade einschlagen. Alle diese Initiativen und auch diese Gesetzgebung sollen die Flüchtlingsströme in die EU-Mitgliedsstaaten kontrollieren. Das beunruhigt mich mit Blick auf Dänemark und auch mit Blick auf die Europäische Gemeinschaft, denn eigentlich sollten sie einen ganz anderen Weg einschlagen. Sie sollten die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten stärken und eine Flüchtlingspolitik basierend auf Solidarität und Lastenverteilung einschlagen. Stattdessen macht jeder sein eigenes Ding. Das ist eine sehr schlechte Entwicklung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft.

Wird es die dänische Regierung mit ihren Plänen denn überhaupt schaffen, Flüchtlinge fernzuhalten?

Nein, es macht auch keinen Sinn, weil die Länder parallel arbeiten. Wenn Dänemark Auflagen macht beim Familiennachzug, dann wird Norwegen das Gleiche machen und vielleicht auch andere europäische Länder. Die Wirkung der Gesetze wird meiner Meinung nach nicht sehr stark sein, aber die Integration der Flüchtlinge in der EU und in Dänemark wird nachhaltig erschwert. Deshalb bin ich der Ansicht, dass wir zusammenhalten müssen in der EU und einen Plan brauchen, wie wir Flüchtlings verteilen.

Andreas Kamm ist Generalsekretär des Dänischen Flüchtlingsrates. In der privaten Organisation sind mehr als 30 Intitiativen vereint.

Das Interview führte Helena Baers.