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"An Bord ist ein Mann mit Waffe"

26. April 2003

Nach fast siebenstündigem Nervenkrieg ist am Freitagnachmittag (25.4.) die Entführung eines Bremer Linienbusses ohne Blutvergießen zu Ende gegangen. Der 17-jährige Entführer gab auf.

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Angeblich hatte die Busentführung "islamistischen Hintergrund"Bild: AP

"Ich bin auf dem Weg nach Hannover. An Bord ist ein Mann mit Waffe." Mit diesem Funkspruch des 35 Jahre alten Fahrers beginnt am Freitag kurz nach 9.00 Uhr eine siebenstündige Busentführung in Bremen. Ein 17-jähriger Libanese bringt die Linie120 - zu diesem Zeitpunkt mit 18 Passagieren plus Fahrer besetzt - in seine Gewalt. Der Täter erzwingt eine rund 160 Kilometer lange Autobahnfahrt vorbei an Hannover in Richtung Süden. Nahe Hildesheim stoppt der Bus am Mittag, nach und nach lässt der Jugendliche 13 Geiseln frei. Ein Konvoi aus Einsatz- und Rettungsfahrzeugen folgt dem rot-weißen Bus.

Die Polizei steht in Bremen und Niedersachsen anfangs vor vielen Fragen: Wer ist der Entführer? Was will er? Ist er gewaltbereit? Zunächst wissen auch die Beamten nur, was sie durch die Scheiben des Mercedes 0405 der Firma Weser-Ems Bus erkennen können: Verschreckt sitzen die Geiseln im hinteren Busteil, der Entführer hockt hinter dem Fahrer. Richtung Süden geht die erzwungene Fahrt weiter: Über die A27 an Verden und Walsrode vorbei, dann auf die A7 Richtung Hannover, ein Bremer Sondereinsatzkommando fährt in Zivilfahrzeugen hinterher. Um 12.00 Uhr zielt der Geiselnehmer auf seine Verfolger und feuert.

Kurz vor Hildesheim in der Nähe der Ortschaft Harsum stoppt der Bus überraschend und wird von den Fahrzeugen der Polizei eingekesselt. Eine Geisel darf den Bus verlassen, wegen Kreislaufschwäche, heißt es. Die Polizei sagt, sie zwang den Bus nicht zum Anhalten. Sofort wird die Autobahn in beiden Richtungen gesperrt. Die Polizisten haben schusssichere Helme und Westen an, sind in Deckung hinter ihrem Einsatz-Audi. Vorsichtig nähern sich sie sich dann dem Bus, nehmen Kontakt zum Entführer auf. Der fordert Wasser, Nahrungsmittel, ein Handy und vor allem: Einen Ersatzfahrer. Denn der 35 Jahre alte Busfahrer ist laut Polizei "psychisch angeknackst". Außerdem fordert der Täter noch ein Gespräch mit Bremens bürgernahem Bürgermeister Henning Scherf - aber vergeblich: Das Telefonat mit dem SPD-Politiker findet nicht statt.

Dann die Erleichterung: "Um 16.13 hat das SEK die Entführun gbeendet, die Geiseln sind unverletzt und frei", teilt Walter Wallott von der Polizei Hildesheim mit. Fünf Passagiere und der Fahrer sind zu dieser Zeit noch im Bus. Auch der Entführer wurde bei der Festnahme nicht verletzt. Offenbar hat er schon vorher aufgegeben. Die Entführung des Bremer Linienbusses am Freitag hat einen islamistischen Hintergrund gehabt. Der 17-jährige Libanese, der den Bus mit 14 Fahrgästen sieben Stunden lang in seiner Gewalt hatte, habe aus politischen Motiven gehandelt, teilte die Polizei am Abend auf einer Pressekonferenz in Hannover mit. Unter anderem habe er gefordert, vier Gefangene freizulassen, darunter den in den USA inhaftierten mutmaßlichen Terroristen Ramzi Binalshibh. Binalshibh gilt als einer der Drahtzieher der Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA. (arn)