Amoklauf in Berlin
27. Mai 2006In akuter Lebensgefahr schwebte am Samstagmorgen niemand mehr, sagte ein Polizeisprecher. Bereits in der Nacht waren einige der Verletzten notoperiert worden, sagte der den Noteinsatz leitende Oberarzt. Der 16-Jährige hatte in der Luisenstraße hinter dem Reichstagsgebäude kurz vor Mitternacht immer wieder wahllos auf Passanten eingestochen. Einige erlitten tiefe Stiche in den Bauch und den Rücken.
24 der 28 Verletzten wurden im Krankenhaus behandelt, 15 davon stationär. 9 Verletzte konnten die Krankenhäuser nach einer ambulanten Behandlung wieder verlassen. Die Zahl der Verletzten könne schwanken, weil nicht ganz klar sei, ob sich alle bei der Polizei gemeldet hätten.
Inzwischen teilte die Polizei mit, dass einer der ersten Opfer des Amokläufers nach eigenen Angaben mit dem Aids-Virus infiziert ist. Es sei deshalb möglich, dass sich andere
Opfer ebenfalls mit dem Virus angesteckt haben. Die Polizei
forderte alle Opfer mit Schnittverletzungen auf, sich ärztlich untersuchen zu lassen.
"Hier ist die Hölle los"
Die Polizei geht von einem Amoklauf aus. Hintergründe für die Tat waren am Samstagmorgen noch unklar. Der 16-jährige Hauptschüler aus Neukölln, der zur Tatzeit stark betrunken war, wurde weiter vernommen. Der mutmaßliche Täter sei der Polizei wegen anderer Gewaltdelikte bekannt. Berlins Innensenator Ehrhart Körting sagte, weder aus dem Umkreis des Jugendlichen noch aus der Familie ergebe sich ein Hinweis für eine Erklärung der Tat. Gegen solche Einzeltaten sei kein Schutz möglich. Daher gebe es auch keine Überlegungen, das Sicherheitskonzept für die Fußball-Weltmeisterschaft auf den Kopf zu stellen.
Der Messerstecher wurde kurze Zeit später an einer Straßenkreuzung gefasst, knapp einen Kilometer vom Tatort entfernt. Der Gewaltausbruch hatte sich gegen Mitternacht ereignet, als tausende Menschen nach dem Lichtspektakel zur Eröffnung des neuen Berliner Hauptbahnhofes nach Hause strömten. Die Tat geschah in der Luisenstraße hinter dem Reichstag, zwischen ARD-Hauptstadtstudio und Reinhardtstraße. Panik brach aus. Nach der Tat waren rund 100 Polizeibeamte und 45 Feuerwehrleute mit Notärzten im Einsatz. Sie versorgten die Verletzten zuerst auf den Bürgersteigen und in Hauseingängen. Ein Polizeisprecher sagte: "Hier ist die Hölle los".
Bahnhofsfest geht weiter
Die Bahn reagierte betroffen auf den Vorfall. "Auch wenn das nicht direkt mit der Eröffnung zu tun hatte, sind wir natürlich sehr erschüttert", sagte ein Sprecher am Morgen. Nach Bahnangaben hatten am späten Abend rund 500.000 Menschen die Lichtshow rund um den Bahnhof verfolgt. Im Gebäude selbst war der Andrang so groß, dass die Zugänge zeitweise gesperrt werden mussten.
Das Eröffnungsfest wurde am Samstag wie geplant fortgesetzt. Zwei Wochen vor der Fußball-WM versucht die Berliner Polizei nach der Messerstecherei auch, Fans und Gäste zu beruhigen. "Für Panik gibt es keinen Grund", sagte Sprecher Schodrowski. (wga)