1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Amnesty: Mögliche Kriegsverbrechen in Syrien

5. Juni 2018

Amnesty International wirft westlichen Mächten vor, bei Angriffen auf die nordsyrische Stadt Rakka Hunderte Zivilisten getötet zu haben. In der Hochburg der Terrormiliz IS seien zudem Tausende Bewohner verletzt worden.

https://p.dw.com/p/2yw0e
Syrien Befreiung von Rakka
Nach den Luftangriffen ist von Al-Rakka nicht mehr viel übrig geblieben Bild: Reuters/E. de Castro

Amnesty International hat eine unabhängige Untersuchung möglicher Kriegsverbrechen durch die US-geführte Koalition beim Kampf gegen die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) in deren syrischer Hochburg Al-Rakka gefordert. Die Streitkräfte der USA, Großbritanniens und Frankreichs hätten zwischen dem 6. Juni und 12. Oktober 2017 Zehntausende Luftangriffe auf die Stadt Al-Rakka geflogen. Mehr als 90 Prozent davon verantworteten laut Amnesty die US-Einheiten. Mit den Luft- und Artillerieangriffen unterstützte die Koalition eine Bodenoffensive der kurdisch geführten Demokratischen Kräfte Syriens (SDF). Kräfte der Koalition und verbündete kurdische Milizen konnten schließlich im Oktober 2017 die Terrormiliz IS aus der Stadt vertreiben.

"Die Angriffe der US-geführten Koalition haben Hunderte Menschen das Leben gekostet, Tausende wurden verletzt", erklärte der Nahost-Experte der Organisation, Ilyas Saliba. In dem 70-seitigen Bericht heißt es: "Die im Report ausführlich beschriebenen Angriffe der Koalition erscheinen entweder unverhältnismäßig oder rücksichtslos oder beides und als solche rechtswidrig und als mögliche Kriegsverbrechen."

Verstoß gegen humanitäres Völkerrecht

Saliba betonte: "Die hohen Opferzahlen ebenso wie das Ausmaß der Zerstörung in der Stadt lassen daran zweifeln, dass die Streitkräfte der US-geführten Koalition genug getan haben, um zivile Opfer zu vermeiden." Er beschuldigte das US-Militär des Einsatzes unpräziser Waffen in dicht bewohnten Stadtteilen. Ein solcher Waffengebrauch verstoße gegen Prinzipien des humanitären Völkerrechts. Laut Völkerrecht müssten die Kriegsparteien Zivilisten schonen.

Amnesty International veröffentlichte den Bericht "War of annihilation" anlässlich des ersten Jahrestags des Beginns der Offensive auf Raka am 6. Juni 2017. Die Stadt am Euphrat war nach monatelangen erbitterten Kämpfen schließlich von den kurdisch geführten Demokratischen Kräften Syriens (SDF) eingenommen worden.

Unabhängige Untersuchung?

Amnesty forderte die Anti-IS-Koalition auf, unabhängige Untersuchungen in die Wege zu leiten und Überlebenden und Hinterbliebenen eine angemessene Wiedergutmachung zu ermöglichen. Deutschland müsse sicherstellen, dass Bilder aus Bundeswehr-Aufklärungsflügen über Syrien, die an andere Koalitionsmitglieder weitergegeben werden, nicht zu unverhältnismäßiger Gewalt gegen Zivilisten führten, verlangte Saliba.

Amnesty-Mitarbeiter sprachen im Februar 2018 vor Ort mit 112 Zeugen und Überlebenden der Angriffe und besuchten 42 Orte in Al-Rakka, an denen Angriffe durch Mörser, Artillerie und Luftstreitkräfte stattgefunden hatten. Im Syrienkrieg wurden seit 2011 Hunderttausende Menschen getötet. Das Regime des Machthabers Baschar al-Assad eroberte große Teile des Landes von Aufständischen zurück. In einzelnen Gebieten herrschen noch Rebellen und Terrorgruppen, der "Islamische Staat" gilt als weitgehend abgedrängt.

Ein Sprecher der Operation "Inherent Resolve" wies die Vorwürfe der Organisation gegenüber der Deutschen Presse-Agentur zurück. Es gebe hohe Standards bei der Auswahl der Waffen und Ziele. Die Koalition unternehme hohe Anstrengungen, um Zivilisten zu schützen.

kle/hk (epd, afp, dpa, kna)