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Ein Jahr verpasster Chancen

10. Dezember 2009

„2009 war das Jahr der verpassten Chancen", so Amnesty International Deutschland über die prekäre Lage der Roma. Sie seien in der Europäischen Union nach wie vor Diskriminierungen ausgesetzt.

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Berlin, Kreuzung Friedrichstraße/Unter den Linden: Hier bekommen Autofahrer oft ein „Schaumherz“ auf die Frontscheibe – die Leistung kostet ein paar Cent und man fährt mit einem Lächeln von den Roma-Jungen, die die Autoscheiben geputzt haben, weiter. In weniger glücklichen Fällen kommt die Polizei, weil die Scheibenputzer aggressiv werden, wenn ihre Hilfe abgelehnt wird. Der Berliner Senat hat vor einigen Monaten jedem asylsuchenden Roma aus Rumänien angeboten, um 250 Euro reicher in seine Heimat zurück zu kehren. Die Hauptstadt ist dementsprechend um 27.000 Euro ärmer geworden. Und die Fahrer entlang der Friedrichstraße geben weiterhin ab und zu ein paar Cent für ein Schaumherz aus.

Roma-Kinder in Tschechien ausgegrenzt

Einige Meter weiter, im Informationsamt der Bundesregierung in Berlin, holt Amnesty International (ai) die Europäer auf den Boden der Tatsachen zurück. Laut ai ist Rassismus in Europa ein weit verbreitetes Phänomen. Monika Lüke, Generalsekretärin der Organisation, äußerte sich zum Internationalen Tag der Menschenrechte, am 10. „ "verpassten Chancen in 2009", sagt sie, neben einer immer noch fehlenden menschenrechtskonformen Migrations- und Flüchtlingspolitik der EU.

„In Europa gibt es ein großes Problem. Es gibt eine Gruppe, die bei den Staaten der Europäischen Union außen vor bleibt, die systematisch diskriminiert wird. Das sind die Roma. Die Roma leben in zahlreichen europäischen Städten, eigentlich in fast allen, in der Regel in gettoisierenden Zuständen. Sie haben keinerlei Zugang zu Dienstleistungen, die uns allen zu Verfügung stehen. Ein Beispiel: sie können ihre Kinder nicht in die Schule schicken. In Tschechien werden Roma-Kinder in Sonderschulklassen gesteckt; und haben also dadurch von Anfang an keine Chance, das Menschenrecht auf Bildung zu verwirklichen", sagt Monika Lüke.

Drastisches Durchgreifen der italienischen Polizei

In Italien sei die Situation der Roma noch schlimmer. Da gebe es einen Gesetzentwurf, der den Roma keine Sozialleistungen mehr garantieren würde, so Amnesty International. „In Italien ist es so, dass Roma aus ihren Siedlungen vertrieben werden, zuletzt im Sommer dieses Jahres in Mailand. Da kommen italienische Polizeibeamte über Nacht, treiben die Roma aus ihren Häusern, sie haben eigentlich gar keine Bleibe mehr. Dadurch, dass sie keinen festen Wohnsitz haben, sollen sie nach der Vorstellung des italienischen Ministerpräsidenten künftig auch keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben. In Ungarn sind seit Beginn des Jahres 2008 sogar neun Roma bei Pogromen ums Leben gekommen."

Ohne Registrierung keine Arbeit

Dramatisch sei auch die Lage der Roma-Minderheit in Rumänien, wo einige Politiker öffentlich mit rassistischen Äußerungen aufgefallen seien. Monika Lüke verwies etwa auf eine offizielle Erklärung des ehemaligen rumänischen liberalen Außenministers Adrian Cioroianu. Auch im Kosovo sei die Lage katastrophal: „In Rumänien äußert sich die Regierung ganz offiziell dahingehend, dass die Roma am besten in Ägypten aufgehoben wären. Das alles wissend, haben die Innenminister der Bundesländer es dennoch in der vergangenen Woche nicht für nötig gehalten, das Thema bei der Innenministerkonferenz auf die Tagesordnung zu setzen. Sie haben es auch nicht für nötig gehalten, einen Abschiebestopp für die ca. 10.000 in Deutschland lebenden Roma zu beschließen. Sie sorgen dafür, dass die Roma in den Kosovo abgeschoben werden, wo sie ebenfalls ihre Kinder nicht in die Schule schicken können, weil sie sich nicht registrieren können – das gleiche Spiel wie in Italien. Sie haben keine Möglichkeit zu arbeiten, sich behandeln zu lassen, wenn sie krank sind. "

Autorin: Lavinia Pitu

Redaktion: Bernd Johann