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"Die Welt ist finsterer geworden"

22. Februar 2017

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International zeichnet eine düstere Lage der Menschenrechte. Die Welt sei "finsterer und unsicherer" geworden. Auch Deutschland bleibt nicht ungeschoren.

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Deutschland PK Amnesty International Report 2016/2017
Bild: DW/N. Jolkver

Amnesty International (AI) prangert eine zunehmende Aushöhlung der Menschenrechte in Europa und den USA an. "Das möglicherweise größte der vielen politischen Erdbeben im Jahr 2016 war die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika", heißt es im neuen Jahresbericht der Organisation. Trumps "vergiftete Wahlkampfrhetorik" sei nur ein Beispiel eines weltweiten Trends hin zu einer Politik, die auf Wut und Spaltung setze. "Die Welt wurde 2016 finsterer und unsicherer", schreibt Generalsekretär Salil Shetty.  

"Die Anderen sind schuld"

Der möglicherweise "bösartigste Angriff" auf die Menschenrechte bestehe darin, dass Machthaber und Politiker zur Rechtfertigung ihrer repressiven Maßnahmen "die Anderen" für tatsächliche oder vermeintliche soziale Probleme verantwortlich machten, heißt es weiter. "Mit hasserfüllter, spaltender und hetzerischer Rhetorik bedienten sie die finstersten Instinkte der menschlichen Natur." Damit bereiteten sie den Weg für Diskriminierung und Hassverbrechen.

Tirana Hassan
Tirana Hassan Bild: Amnesty International

Tirana Hassan, Verantwortliche bei Amnesty für Krisen und Konflikte, sagte der Deutschen Welle: "In einer Zeit, in der die wichtigsten Regierungschefs dieser Welt dafür sorgen sollten, dass Kriegsverbrechen nicht ungesühnt bleiben, sehen wir das genaue Gegenteil, etwa in Institutionen wie dem Weltsicherheitsrat." Einige Mitglieder nutzten ihr Vetorecht, um zu verhindern, dass die Allerschwächsten geschützt würden.

Der AI-Bericht kritisiert auch die Politik von Trumps Vorgänger Barack Obama. Er hinterlasse "ein Erbe, das auch viele Fälle schweren Versagens umfasst." Als Beispiele werden die Drohnenangriffe gegen Terrorverdächtige in Ländern wie Afghanistan, Pakistan oder im Jemen genannt, bei denen viele Zivilisten starben. Auch die weltweite "Überwachungsmaschinerie" der US-Geheimdienste wird erwähnt.

Frankreichs Ruf steht auf der Kippe 

Nicht gut weg in dem Report kommen zudem die Reaktionen Europas auf die Terroranschläge. "Anti-Terrorgesetze in zahlreichen Ländern der Europäischen Union schränken Freiheitsrechte ohne die notwendige rechtsstaatliche Kontrolle der Maßnahmen ein", sagte der Chef von Amnesty Deutschland, Markus Beeko.

Insbesondere Frankreich wird in dem Zusammenhang erwähnt. AI-Generalsekretär Shetty erinnerte bei der Vorlage des Berichts an Frankreichs Ruf als "Wiege der Menschenrechte", der durch die "schleichende Erosion der Menschenrechte inzwischen auf der Kippe" stehe. Ausnahmsweise veröffentlichte die in London ansässige Organisation ihren Jahresbericht darum dieses Mal in Paris.

Amnesty bemängelt auch die weiter fehlende aktive EU-Flüchtlingspolitik. Durch die geplante Zusammenarbeit mit Libyen, um die Fluchtbewegung über das Mittelmeer zu stoppen, nehme die EU zudem schwere Menschenrechtsverletzungen in dem nordafrikanischen Land in Kauf. "Flüchtlinge und Migranten werden dort in Haftzentren gebracht, wo sie oft ohne Kontakt und unter unwürdigen Bedingungen festgehalten werden."

Deutschland schützt Flüchtlingsunterkünfte unzureichend

Deutschland wird für mangelnde Maßnahmen gegen Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte kritisiert. In den ersten neun Monaten des Jahres 2016 hätten die deutschen Behörden 813 Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte und 1803 Straftaten gegen Asylsuchende registriert, bei denen 254 Menschen verletzt worden seien, listet der Bericht auf. Auch die Asyl-Schnellverfahren bemängeln die Menschenrechtler. Gleichzeitig lobt Amnesty die "erheblichen Anstrengungen" Deutschlands, Schutzbedürftige unterzubringen.

Insgesamt umfasst der Amnesty-Report mehr als 400 Seiten. In 23 Ländern stellt die Organisation Kriegsverbrechen fest. 36 Staaten hätten internationales Recht verletzt, indem sie Flüchtlinge zurückschickten. In 22 Ländern seien Morde an Menschenrechtsaktivisten registriert worden.

Amnesty ruft dennoch dazu auf, sich mutig für Menschenrechte einzusetzen. "Gerade in solchen Zeiten werden couragierte Stimmen gebraucht, ganz normale Heldinnen und Helden, die sich gegen Unrecht und Unterdrückung erheben", betont Generalsekretär Shetty.

se/myk (afp, dpa, ap, amnesty, dw)