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Amerikas Tabakfarmer in der Krise

Arno Schütze, dpa17. Oktober 2003

In den USA sind Raucher nur noch ungern gesehen. Das wirkt sich auch auf die Tabakindustrie aus. Ihre Umsätze gehen zurück. Dabei ist Tabak ein ur-amerikanisches Gewächs, sagen die Tabakbauern.

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Die Geschäfte der Tabakbauern in den USA lassen nachBild: AP

Der Tabakfarmer Bob Barton aus Kentucky ist empört: "Tabak ist die Pflanze, die Amerika aufgebaut hat", sagt er, während er am Rand eines leuchtend hellgrünen Feldes steht. "Und jetzt will die Gesellschaft nichts mehr mit unserem Tabak zu tun haben." Ein Dutzend lateinamerikanischer Landarbeiter lädt währenddessen mannshohe Tabakpflanzen mit armlangen Blättern auf Anhänger. Amerikas Nichtraucherkampagne und die Einkaufspraktiken der Zigarettenkonzerne bedrohen einen Wirtschaftszweig, der einst eine Grundlage für den Reichtum der US-Südstaaten bildete. Eine Reform soll nun helfen.

"Jedes Jahr dürfen wir weniger Tabak anbauen", klagt Barton, dessen Farm in der Nähe von Lexington liegt. Ein an die Nachfrage gekoppeltes Quotensystem reguliert die Anbaufläche und macht ihm Probleme. "Unsere Einkommen sinken ständig", sagt Barton. Mehr als 80.000 Tabakbauern in Amerika teilen sein Schicksal. Etwa die Hälfte von ihnen bestellt ihre Felder in Kentucky, auch wenn die Produktion der Großfarmen in North Carolina insgesamt höher liegt. Jahr für Jahr geben nach Angaben des Tabakanbauverbandes Tausende Farmer auf.

Reynolds' Kehrtwende

Die Zahl der in den USA verkauften Zigaretten ist in den vergangenen zehn Jahren laut US-Agrarministerium um 15 Prozent gesunken. Nichtraucher-Organisationen und Gesetzgeber verbuchen das als großen Erfolg. In rund der Hälfte der US-Staaten ist das Rauchen in öffentlichen Gebäuden und Restaurants verboten oder strikt reglementiert. "Besonders auf lokaler Ebene konnten wir in Amerika große Erfolge für den Nichtraucherschutz erzielen", sagt Patrick Reynolds - ein Enkel des Gründers des Zigarettenkonzerns R.J. Reynolds. Längst hat Reynolds dem Konzern den Rücken gekehrt und ist Kopf der Stiftung für ein rauchfreies Amerika (Tobaccofree.org).

Selbst der Landkreis der Stadt Lexington, eines der Gebiete mit der höchsten Konzentration von Tabakbauern in den USA, hat ein Rauchverbot beschlossen. Wegen juristischen Einspruchs wird es aber vorerst nicht in Kraft treten. Der Rückgang der Tabakproduktion in den USA ist jedoch erheblich größer als der Rückgang des Zigarettenkonsums. Die Ernte ist in diesem Jahr nur noch halb so groß wie 1993. "Die Exporte sind gesunken und die amerikanischen Zigaretten enthalten heute nur noch zu rund 50 Prozent amerikanischen Tabak", erklärt Thomas Capehart vom US-Agrarministerium. 1990 waren es noch 70 Prozent.

Nichtrauchender Tabakbauer

Tabakkonzerne wie der Branchenprimus Philip Morris oder sein Konkurrent R.J. Reynolds äußern sich nicht zu den angekauften Tabakmengen. "Aber natürlich fühlen wir uns dem amerikanischem Tabak verpflichtet", sagt Philip-Morris-Sprecherin Jennifer Golisch. Während Bauern in Kentucky Ende der 1990er-Jahre mit Demonstrationen gegen die Anti-Raucher-Aktionen der Nationalen Gesundheitsbehörde protestierten, hoffen sie nun auf eine andere Art der Rettung: die Abschaffung des Quotensystems, das die Preise künstlich hoch hält. "Das würde uns die Möglichkeit geben, von vorne anzufangen und uns dem Wettbewerb mit dem Weltmarkt zu stellen", sagt der 33-jährige Tabakfarmer Todd Clark. "Damit würde heimischer Tabak auch für die Konzerne wieder interessanter."

Damit die Bauern bei der Abschaffung des Quotensystems keinen finanziellen Schaden nehmen, sollen sie eine Entschädigung von der Tabakindustrie bekommen. Nach einer Gesetzesvorlage der großen Tabak-Bundesstaaten sollen die Bauern etwa 13 Milliarden Dollar für ihre Quoten bekommen. Allerdings gilt es als unsicher, dass das Gesetz noch vor der Präsidentenwahl im Herbst 2004 verabschiedet wird.

Bartons Familie baut Tabak schon in der dritten Generation an. Mit einer anderen Tradition hat er hingegen längst gebrochen: "Jeder weiß, dass Rauchen nicht das beste für die Gesundheit ist. Ich bin Nichtraucher."