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Amerikanische Waffenliebe

Tina von Löhneysen 13. September 2004

Halbautomatische Sturmfeuerwaffen waren in den USA seit 1994 verboten - bis jetzt. Die meisten US-Bürger sind für eine Verlängerung des Verbots, doch die Waffenlobby ist stark in den Staaten.

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"Die Terroristen des 11. Septembers können den 13. September kaum erwarten", heißt es in einer Anzeige in der Zeitung "New York Times". Es geht um das Verbot halbautomatischer Sturmfeuerwaffen, das am Montag (13.9.2004) ausläuft. Unter dem Slogan auf der ganzseitigen Anzeige: Ein Bild Osama bin Ladens, darunter ein Auszug aus dem El-Kaida-Trainings-Handbuch: "In Ländern wie den USA ist es legal, bestimmte Arten von Schusswaffen zu besitzen. Wenn du in einem dieser Länder wohnst, besorge Dir ein Sturmfeuergewehr, vorzugsweise ein AK-47."

Erregte Gemüter

Offenbar muss man in den USA seit den Anschlägen vom 11. September 2001 alles in Zusammenhang mit dem internationalen Terror stellen, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Auch wenn es eigentlich um ein innenpolitisches Thema geht. Zumal um eins, das die Gemüter in den USA ohnehin genügend erregt.

Das Verbot halbautomatischer Sturmfeuerwaffen ist 1994 unter dem Demokraten-Präsidenten Bill Clinton in Kraft getreten. Es verbietet die Produktion und den Verkauf von 19 Gewehrarten, die als besonders gefährlich eingestuft wurden. Dazu gehören zum Bespiel Gewehre mit Bajonett-Aufsatz oder mit Magazinen für mehr als zehn Kugeln. Während seines Wahlkampfs im Jahr 2000 hatte der Republikaner George W. Bush angekündigt, das Verbot zum entsprechenden Zeitpunkt zu verlängern. Vielleicht in der Hoffnung, man würde einfach vergessen, dass es diese Frist gibt und dass sie abläuft.

Mehrheit für Verbot


Aber man hat sie nicht vergessen. Die amerikanischen Polizistenvereinigungen fordern, dass die Regierung das Verbot verlängert. Sie haben Angst um ihr Leben, wenn sie Streife fahren oder Wohnungen durchsuchen. Auch die "Vereinigung der Millionen Mütter" fordert, dass die Regierung das Verbot verlängert. Sie haben Angst, dass ihre Kinder wie 1999 beim Massaker an der Columbine Highschool Opfer eines Amoklaufs mit Schnellfeuerwaffen werden. Und die Initiative um den ehemaligen Pressesprecher des Weißen Hauses, James Brady, fordert, dass die Regierung das Verbot verlängert. Ein Attentäter hatte 1981 beim Versuch, Präsident Ronald Reagan zu töten, Brady in den Kopf geschossen. Seitdem sitzt er im Rollstuhl und kann kaum mehr sprechen. Umfragen zeigen außerdem: Die Mehrheit der Amerikaner will das Verbot verlängert sehen.

Gesetz ist Kosmetik


Die Bevölkerung hat also nicht vergessen, dass es eine Frist gibt und dass sie abläuft. Und deshalb musste Bush reagieren. Er versicherte in den vergangenen Wochen, wenn ein Antrag zur Gesetzesverlängerung auf seinem Tisch landet, wird er ihn unterschreiben. Einen solchen Antrag muss der Kongress stellen. Dort haben aber die waffenfreundlichen Republikaner die Mehrheit, es hat also keinen Antrag gegeben. Gegen die Verlängerung des Verbots tritt auch die "National Rifle Association", die Standesorganisation der Pro-Waffen-Lobby, ein. Ihr Argument: Das Gesetz sei lediglich "Kosmetik", es habe nicht dazu beigetragen, Überfalle mit halbautomatischen Waffen zu reduzieren. Stattdessen müsse man die Täter härter bestrafen, die solche Waffen missbrauchten.

Das Gesetz ist allerdings auch unter Waffengegnern umstritten. Denn die Statistiken zeigen tatsächlich: Der Gebrauch von halbautomatischen Sturmfeuerwaffen ist seit 1994 nur leicht zurückgegangen. Das liegt vor allem an zwei Dingen: Waffenfirmen haben ihre Modelle minimal verändert. Sie fallen damit nicht mehr in die Kategorie, eine besonders gefährliche Waffe zu sein, haben ihren Grundcharakter aber weitgehend behalten. Außerdem konnte, wer wollte, die verbotenen Modelle weiterhin unter der Hand kaufen. Ein Gewaltforschungsinstitut in Washington schätzt, dass die US-amerikanische Waffenindustrie in den vergangenen zehn Jahren mehr als eine Million der verbotenen Modelle produziert hat.

Recht mit Verfassungsrang

Damit wird deutlich, wo das Problem liegt: Im amerikanischen Selbstverständnis, in der Überzeugung, dass jeder Bürger der Vereinigten Staaten das Recht hat, eine Waffe zu besitzen und sich damit zu verteidigen. Dieses Recht hat in den USA sogar Verfassungsrang. Selbst Bush-Herausforderer John Kerry verband seine Kritik am Auslaufen des Waffenverbots mit einem Bekenntnis zum Waffenbesitz: "Ich als Jäger und Besitzer einer Waffe weiß doch eins: Ich würde niemals mit einem Schnellfeuergewehr auf die Jagd gehen."