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Ambitionen eines deutschen Außenpolitikers

Jens Thurau 19. Mai 2003

Immer wieder wird der Name von Bundesaußenminister Joschka Fischer genannt, wenn es um den Posten eines möglichen EU-Außenministers geht. Ein Wechsel Fischers hätte nicht nur Folgen in Brüssel sondern auch in Berlin.

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Gern gesehener Gesprächspartner bei den Regierenden dieser WeltBild: AP

Joschka Fischer ist ohne Zweifel das, was man ein politisches Schwergewicht nennt: Ein Alphatier. Er führt seit langem die Beliebtheitslisten der deutschen Politiker an, er wird respektiert im Ausland, auch jetzt noch in den USA. Bei den Grünen geht ohne ihn nichts - und deshalb ist die rot-grüne Koalition ohne ihn auch nicht recht vorstellbar.

Dennoch gibt es etwas, was den Bundesaußenminister von seinem geliebten Chef-Diplomaten-Sessel am in Berlin weglocken könnte: Die Position des Außenministers der Europäischen Union, wenn sich die Gemeinschaft im Rahmen ihres Verfassungskonvents denn auf einen solchen Posten einigt, mit eigener Bürokratie, mit Kompetenzen auch in Verteidigungsfragen.

Frankreichs Zustimmung

Gehandelt wird der frühere Frankfurter Sponti längst. Erst hat Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker Fischer vorgeschlagen, dann hat Gerhard Schröder das begrüßt, und am Freitag (16.5.2003) hat sich mit Frankreich erstmals ein großes EU-Land offen für den Wechsel Fischers nach Brüssel ausgesprochen. Alles klar also?

Erst einmal lautet eine alte Formel, dass früh genannte Kandidaten meist nicht zum Zuge kommen. Zudem ist der EU-Proporz kompliziert. Hohe Posten wurden bislang zumeist von hohen Vertretern der großen europäischen Volksparteien eingenommen. Und einige kleine europäische Staaten wie Griechenland und das künftige Mitgliedsland Polen haben bereits ihre Verärgerung darüber gezeigt, dass ein Posten personell verhandelt wird, den es noch gar nicht gibt. Auch die deutsche CDU-Opposition denkt so. Außenexperte Friedbert Pflüger nannte die Spekulationen um Fischer sogar einen Affront gegen den spanischen hohen Kommissars der EU für Außenpolitik, Javier Solana.

Hürden

Weitere mögliche Hürden auf Fischers Weg nach Brüssel stehen in London und Madrid. Durch den Streit um den Irak-Krieg ist Europa gespalten, und die Kriegsbefürworter Großbritannien und Spanien haben sich noch nicht geäußert über einen EU-Außenminister namens Fischer. Ob sie für den Kriegsgegner aus Deutschland sind, ist zumindest fraglich.

Zweifelhaft ist auch, ob der Kanzler in Berlin wirklich ohne Fischer auskäme. Einen anderen Grünen als Fischer kann sich Gerhard Schröder an der Spitze des Auswärtigen Amtes kaum vorstellen. Der Aderlass für das angeschlagene Kabinett wäre groß, ginge eines seiner wenigen weitgehend unbeschädigten Mitglieder 2004 nach Brüssel. Auch hat Fischer bislang immer noch dafür gesorgt, dass seine Partei auf Koalitionslinie blieb - das weiß der Kanzler. Und trotz aller zur Schau getragenen Zuversicht grüner Funktionäre, die Partei könne leicht ohne ihren Paten, ist eine Fischer-freie Zukunft bei den Grünen ungeklärt. Zwar hat sich Umweltminister Jürgen Trittin zuletzt auffällig häufig zu außenpolitischen Themen geäußert, und in der Partei traut man vor allem Verbraucherschutzministerin Renate Künast viel zu. Eine mögliche Übernahme des Bundesaußeniministeriums durch einen der beiden ist freilich blanke Spekulation. Die Grünen wissen, dass sie ihr überraschend gutes Wahlergebnis im September 2002 weitgehend der Sommertour ihres Superstars Fischer über die Marktplätze der Republik verdanken.

Türen des Lebens

In einer der Biografien, die über ihn erschienen sind, schildert Fischer, wie er den Gang durch sein Leben und seine Karriereschritte empfindet. Das Leben ist ein Haus, immer wieder gibt es neue Zimmer, er will die Türen dahin öffnen, dann das Zimmer mit Leben füllen - und weitermarschieren. Ambitionen, nach Brüssel zu wechseln, hat der Bundesaußenminister ohne Zweifel. Aber: Diese Tür aufzubekommen, könnte sich noch als schwierig erweisen.