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Am Tag nach dem Stromausfall

15. August 2003

Die Ursache für den Stromausfall in Nordamerika ist weiter unklar. Viele Menschen sind noch immer ohne Elektrizität. In New York gab es kaum Plünderungen. Toronto rechnet mit einem Baby-Boom.

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New York: Zeitunglesen mit TaschenlampeBild: AP

Einen Tag nach Beginn des schwersten Stromausfalls in der Geschichte Nordamerikas herrschte am Freitag (15. August 2003) weiter Unklarheit über die Ursache des Desasters. Massive Kritik wurde am überalterten Energienetz der High-Tech-Nation laut. "Wir sind eine bedeutende Supermacht mit einem Stromnetz der Dritten Welt", sagte der demokratische Gouverneur und Ex-Energieminister Bill Richardson. Auch US-Präsident George W. Bush wertete den Blackout als Zeichen dafür, dass das Versorgungsnetz modernisiert werden müsse. "Das war ein Weckruf", sagte Bush während eines Besuchs in Kalifornien.

Ein Wochenende ohne Energie

Bei Gluthitze war am Donnerstagnachmittag im Nordosten der USA und im Süden Kanadas der Strom großflächig ausgefallen. Betroffen waren Millionen-Metropolen wie New York und Detroit sowie die größte kanadische Stadt Toronto. Nach US-Angaben saßen zeitweilig rund 50 Millionen Menschen im Dunkeln. Noch am Freitagmittag (Ortszeit) hatten Hunderttausende keinen Strom.

Stromausfall in New York
New York: Einkaufen mit TaschenlampeBild: AP

Viele müssen sich auf ein ganzes Wochenende ohne Licht, teilweise ohne Telefon und - bei sengender Hitze - ohne Klimaanlage einstellen. Der Blackout breitete sich in nur drei Minuten blitzartig aus. 21 Elektrizitätswerke, darunter neun Kernkraftwerke, fielen in einem Domino-Effekt nacheinander aus.

Blackout in Deutschland nicht möglich

Nach Darstellung von Energiekonzernen, Technikexperten und Bundesregierung ist ein so massiver Stromausfall in Deutschland nicht möglich. Hier sei eine viel höhere Versorgungssicherheit gewährleistet. Bundesumweltminister Jürgen Trittin sagte im Rundfunk, in den USA werde Strom bis an die Grenze des Lieferbaren verbraucht. Dagegen produziere Deutschland einen Überschuss an Elektrizität.

Die USA und Kanada wiesen sich gegenseitig die Schuld für den Stromausfall zu. Die US-Bundespolizei FBI (Federal Bureau of Investigation) ging von einer technischen Ursache im Stromnetz aus. Auch Bush erklärte, es gebe keinen terroristischen Hintergrund. 40.000 Sicherheitskräfte patrouillierten auf den Straßen New Yorks. Anders als beim letzten großen Stromausfall 1977 kam es diesmal laut US-Behörden kaum zu Plünderungen.

Die New Yorker Börse öffnete

Während in einigen Gebieten der Metropole New York die Lichter bereits am Donnerstagabend wieder angingen, warteten viele Menschen in Manhattan am Freitag noch immer. Der U-Bahn-Verkehr blieb zunächst eingestellt. Die New Yorker Börse, der größte Aktienmarkt der Welt, öffnete wieder.

Stromausfall in New York Upper West Side Manhattan
Manhattan im DunkelnBild: AP

Laut New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg kam es während des Blackouts in der Stadt zu 60 schweren Bränden. Dabei sei ein Mensch ums Leben gekommen und ein Feuerwehrmann verletzt worden. Der Blackout wirkte sich auch auf den internationalen Luftverkehr aus. So gab es Behinderungen bei Flügen von und nach Deutschland.

Vorsichtig mit Kerzen

Das amerikanische Stromnetz funktioniert so, dass sich von Überlastung betroffene Kraftwerke bei Netzwerkproblemen sofort abschalten, um schwerwiegende Schäden an ihren Anlagen zu vermeiden. Es ist aber auch so ausgelegt, dass Blackouts eigentlich sofort eingegrenzt und damit auf ein kleines Gebiet beschränkt bleiben sollten. Dies ist offensichtlich nicht gelungen.

Als Konsequenz aus dem Stromausfall rechnet Torontos Bürgermeister Mel Lastman mit einem Babyboom. "Ich wette, dass wir in neun Monaten die größte Geburtenexplosion aller Zeiten haben werden", sagte Lastman am Freitag. Zugleich appellierte das Stadtoberhaupt an seine Bürger, sich die stromfreie Zeit nicht allzu kuschelig zu machen. Auf Kerzen jedenfalls sollten die Bewohner der größten kanadischen Stadt aus Sicherheitsgründen verzichten. "Man kann darauf nicht ständig ein Auge haben. Da braucht nur der Hund die Kerzenleuchter umstoßen, und die Gardinen fangen Feuer und alles geht in Rauch auf." Er riet zum Kauf von Taschenlampen. (kap)