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Am Pranger der Weltgemeinschaft

24. Februar 2012

Eine Syrien-Resolution ist im UN-Sicherheitsrat bislang gescheitert. Eine zweite Entschließung der UN-Vollversammlung hat das Vorgehen des Assad-Regimes verurteilt. Wie wirksam ist ein solches Signal?

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UN-Hauptquartier in New York Foto: Adam Rountree
Bild: AP

Der Sicherheitsrat ist das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen. Die hier gefassten Resolutionen sind völkerrechtlich bindend. In ihnen verurteilt der Sicherheitsrat Staaten oder Konfliktparteien, deren Handlungen eine Gefährdung der internationalen Sicherheit oder eine Verletzung des Völkerrechts beziehungsweise der Menschenrechte darstellen. In den Resolutionen wird festgelegt, wie Kriegsparteien sanktioniert werden sollen - beispielsweise durch ein UN-Embargo oder UN-Sanktionen.

Der Sicherheitsrat kann auch beschließen, dass militärisch interveniert wird, um Konflikte zu beenden. Zu diesem Mittel hat das Gremium 1999 im Kosovo gegriffen. Weitere Beispiele sind die Resolutionen aus dem Jahr 2001 für die Intervention in Afghanistan und vom März 2011, mit der die Vereinten Nationen ihre Mitgliedstaaten ermächtigten, eine Flugverbotszone in Libyen zu errichten.

Strategische Interessen der Vetomächte

Black smoke is seen from Homs refinery February 15, 2012. An explosion hit a major oil pipeline feeding a refinery in Homs, sending a large plume of smoke rising into the sky, witnesses said. The blast hit the pipeline near a district being shelled by government troops, they said. REUTERS/Handout (SYRIA - Tags: CIVIL UNREST POLITICS BUSINESS ENERGY TPX IMAGES OF THE DAY) FOR EDITORIAL USE ONLY. NOT FOR SALE FOR MARKETING OR ADVERTISING CAMPAIGNS. THIS IMAGE HAS BEEN SUPPLIED BY A THIRD PARTY. IT IS DISTRIBUTED, EXACTLY AS RECEIVED BY REUTERS, AS A SERVICE TO CLIENTS
Eine Explosion in der syrischen Stadt HomsBild: Reuters

In Bezug auf das anhaltende Blutvergießen in Syrien hat der Sicherheitsrat bislang keine Resolution verabschiedet. Eine entsprechende Entscheidung wurde bei zwei Gelegenheiten von den beiden Vetomächten China und Russland verhindert. Die Resolutionsentwürfe, die zur Abstimmung vorlagen, hätten vor allem die syrische Führung für das Blutvergießen verantwortlich gemacht. China und Russland halten aus strategischen Gründen am Assad-Regime fest.

Der Sicherheitsrat besteht aus zehn wechselnden und fünf ständigen Mitgliedern. Zu letzteren, also den fünf Veto-Mächten gehören neben Russland und China die USA, Frankreich und Großbritannien. Jeder Resolutionsentwurf kann durch ein Veto eines ständigen Mitgliedes zur Makulatur werden.

UN-Vollversammlung verurteilt Syrien

Die UN-Vollversammlung das Vorgehen des Assad-Regimes gegen Oppositionelle verurteilt. Zuvor hatte die UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay vor der Vollversammlung gesagt, die von den syrischen Sicherheitskräften begangenen Taten seit März 2011 seien "wahrscheinlich" als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" einzustufen.

In this picture taken on January 6, 2012 and released by the citizen journalism image provide by the Local Coordination Committees in Syria, anti-Syrian regime protesters, hold a placard against Syrian President Bashar Assad with Arabic words read:"The lions look like this," during a demonstration, in Edleb province, Syria. Throughout 40 years of Assad family dictatorship, one thing united Syrians _ the culture of self-censorship, fear and paranoia. But the uprising against President Bashar Assad has unleashed a burst of blunt irreverence and black humor that would have been unthinkable before, when any satire had to be indirect or hidden. (Foto:Local Coordination Committees in Syria/AP/dapd) EDITORIAL USE ONLY, NO SALES, THE ASSOCIATED PRESS IS UNABLE TO INDEPENDENTLY VERIFY THE AUTHENTICITY, CONTENT, LOCATION OR DATE OF THIS HANDOUT PHOTO
Proteste in Syrien gegen Präsident AssadBild: AP

In der UN-Vollversammlung gibt es kein Vetorecht, es gilt das Prinzip "ein Staat - eine Stimme". Bei einer Zweidrittelmehrheit wird eine Resolution angenommen. Allerdings kann die UN-Vollversammlung - das "Parlament der Weltgemeinschaft" - offiziell Verurteilungen aussprechen, diese sind aber reine Appelle und nicht völkerrechtlich bindend. Viele Kritiker sehen daher in der Syrien-Resolution der Vollversammlung eine reine "Symbolpolitik".

Internationale Legitimität der Vetomächte in Verruf

Dennoch bleibt die Verurteilung des Assad-Regimes nicht ohne Folgen, so Winrich Kühne, Experte für Internationale Beziehungen an der John Hopkins University in Bologna: "Eine Verurteilung wird den Druck auf die Russen und Chinesen erhöhen. Sie würden von der Weltgemeinschaft isoliert. Und das wird ihnen nicht gefallen." Eine Verurteilung in der Vollversammlung der Vereinten Nationen sei ein "Votum der Weltgemeinschaft", das den moralischen Druck auf die beiden Länder erhöhen kann, sagt Kühne.

Auch Heiko Wimmen von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin ist davon überzeugt, dass eine internationale Ächtung nicht im Interesse der Vetomächte sein kann. "Den Russen ist nicht wohl dabei, vor der Weltgemeinschaft als Buhmann dazustehen."

Winrich Kühne ergänzt: "Die Länder, die im Sicherheitsrat gegen Syrien-Resolutionen stimmen, würden in größere Schwierigkeiten kommen, weil ihre internationale Legitimität unter einem solchen Votum leiden würde."

Historische Entscheidungen der Vollversammlung

Historisch gesehen haben die Resolutionen der UN-Vollversammlung immer wieder politisches Gewicht gehabt, sagt Kühne: "Besonders wichtig waren beispielsweise auch die Resolutionen in der Dekolonisierungsphase. Da hat die Vollversammlung den Befreiungsbewegungen wie dem African National Congress in Südafrika und dem SWAPO in Namibia den 'Beobachterstatus' der UN gegeben, so konnte die Vollversammlung Druck auf den Westen ausüben." Und in der Tat: Im Laufe der Zeit zogen die sich europäische Staaten aus ihren Kolonien zurück, der Rest ist Geschichte.

Members of the 64th session of the United Nations General Assembly observe a moment of silence during the opening session, Tuesday, Sept. 15, 2009 at United Nations headquarters. (AP Photo/Mary Altaffer)
UN-Vollversammlung: Mehr als nur SymbolpolitikBild: AP

1975 hatte eine andere Resolution der Vollversammlung nach ihrer Verabschiedung viel politischen Staub aufgewirbelt. Unter dem Titel "Beseitigung aller Formen der Rassendiskriminierung" besagte diese, dass Zionismus eine Form des Rassismus und der Rassendiskriminierung sei. Zudem stellte sie Israel in eine Reihe mit Südafrika und Rhodesien, dem heutigen Simbabwe.

Die Resolution wurde mit 72 zu 35 Stimmen bei 32 Enthaltungen angenommen. Die Ja-Stimmen stammten im Wesentlichen von den arabischen Ländern, von Staaten der Dritten Welt sowie des Ostblocks. Die meisten westlichen Länder, unter anderem die USA und die Bundesrepublik Deutschland stimmten gegen die Resolution.

Nach Zusammenbruch des Ostblocks wurde die umstrittene Resolution am 16. Dezember 1991 von der UN-Generalversammlung mit 111 zu 25 Stimmen bei 13 Enthaltungen zurückgenommen. Kein arabischer Staat stimmte für die Rücknahme. Es ist die einzige Resolution in der Geschichte der Vereinten Nationen, die je zurückgezogen wurde.

Für diese umstrittene Resolution legten viele Länder ihr gesamtes politisches Gewicht in die Waagschale. Es zeigt sich also, dass die Beschlüsse der UN-Vollversammlung zwar rein symbolischen Charakter haben, dass diese aber in der Weltpolitik dennoch Gewicht haben.

Es geht hier um nicht weniger als um die Deutungshoheit der Internationalen Politik. Die Verurteilung Syriens wird Bashar al-Assad vermutlich nicht von seinem Kurs abbringen, so Winrich Kühne von der John Hopkins University in Bologna. Aber für die letzten Unterstützer des syrischen Regimes werde es ungemütlicher, noch länger an Assad festzuhalten.

Autor: Lewis Gropp
Redaktion: Friedel Taube/Sabine Hartert-Mojdehi