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Energiewende vor Ort

Benno König (AFP)20. August 2012

Per Helikopter schwebt Umweltminister Altmaier im Offshore-Windpark "Alpha Ventus" ein. Seine Botschaft ist klar: Er will sich das Theater um fehlende Netzanschlüsse nicht länger anschauen.

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Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) blickt am Montag (20.08.12) am Windpark Alpha Ventus in der Nordsee vor Borkum waehrend seiner Besichtigung der Forschungsplattform "FINO 1" im Rahmen seiner Sommerreise.
Deutschland Bundesumweltminister Altmaier auf Sommerreise Windpark Alpha VentusBild: dapd

Etwas verloren in der Weite der Nordsee wirken die zwölf gewaltigen Windräder des Windparks "Alpha Ventus", als der Hubschrauber mit Umweltminister Peter Altmaier (CDU) in der Vormittagssonne zur Landung ansetzt. Die im April 2010 in Betrieb gegangene Anlage mit 60 Megawatt Nennleistung ist das Pilotprojekt, an dem sich der Offshore-Aufbau orientieren soll. Die zwölf Windräder wurden für 250 Millionen Euro errichtet, die größten von ihnen sind 170 Meter hoch.

Ein neuer Windpark zeichnet sich bereits am Horizont ab. Dort entstehen die ersten 40 Windräder des neuen Offshore-Parks Borkum West I. Später sollen dort 80 Anlagen mit zusammen 400 Megawatt Leistung Ökostrom erzeugen.

Von der Forschungsplattform FINO1 aus, direkt neben "Alpha Ventus", hat Altmaier den besten Überblick. Er ist im Rahmen seiner viertägigen Sommerreise zum Thema Energiewende an diesen entlegenen Ort 45 Kilometer vor der Küste Borkums gekommen, um "mir einen persönlichen Eindruck zu verschaffen" über das, wozu in Kürze milliardenschwere Entscheidungen anstehen. Um Haftungsregelungen für die Betreiber soll es am 29. August im Kabinett gehen, auch um den neuen Offshore-Netzplan des Bundes.

Offshore-Park Alpha Ventus
Offshore-Park "Alpha Ventus"Bild: dapd

Netzanbindung ist ein Thema

"Was Sie hier leisten, ist ein tolles Beispiel für deutsche Ingenieurskunst", lobt der Minister die Anlagenbauer für die Betreiber EWE, Eon und Vattenfall. Neben der Stromproduktion, die mit ihrer hohen, konstanten Leistung die abzuschaltenden Atomkraftwerke ersetzen soll, liege hier auch ein "hohes technologisches Innovationspotenzial".

Doch Altmaier spricht auch die Probleme bei der Netzanbindung der neuen Windparks an, die zu jahrelangen Verzögerungen führen. Die lange Lieferzeit für Spezialkabel aus Italien sei "skandalös". "Ich bin nicht bereit hinzunehmen, dass Wartezeiten von 50 Monaten entstehen, bis eine Kabelverbindung zur Verfügung steht", erregt sich der sonst ruhig und besonnen auftretende Minister.

Auch bei den Windmüllern an Land gibt es so gewaltige Ausbaupläne, dass Altmaier Angst und Bange wird, wenn er an die Einspeisevergütung denkt, die auf den Strompreis umgelegt wird. Zwar bestätigt er Berichte ausdrücklich nicht, wonach die Regierung bereits an Obergrenzen für die Förderung von Onshore-Windparks arbeite, doch Handlungsbedarf beim Ausbautempo sieht der CDU-Politiker schon.

"Energiewende muß 100 Prozent umgesetzt werden"

"Die Energiewende muss zu 100 Prozent umgesetzt werden, aber nicht an einem Tag", mahnt Altmaier am Sonntagabend im schleswig-holsteinischen Friedrichskoog zu einem langsameren Ausbautempo. Es mache keinen Sinn, Windanlagen zu installieren, die dann wegen fehlenden Netzausbaus "sich nicht drehen können".

Daher will sich Altmaier auch mit Opposition und Ländern zusammensetzen, um einen Plan für den Ausbau der Erneuerbaren Energien wenigstens in der Zeit bis 2020 aufzustellen. Es müsse eine Verständigung "zwischen Nord und Süd" geben, sagt der Minister.

Indirekt könnte Altmaier mit einer Konsenslösung auch FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler ausmanövrieren, der das Erneuerbare-Energien-Gesetz grundsätzlich in Frage stellt. Derweil warnen aber die Grünen davor, den Schwung beim Ökostrom abzubremsen. Angepasst werden müsse eben "das Ausbautempo bei den Netzen", fordert in Friedrichskoog Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Grüne).

Netzausbau und Naturschutz

An der Seehundstation Friedrichskoog, wo Altmaier und Habeck einträchtig barfuß durch den Schlick des Nationalparks Wattenmeer stapfen, geht es noch um ein anderes Thema. Nicht nur an Land kommen sich Netzausbau und Naturschutz ins Gehege, im Wasser gefährdet der Lärm beim Bau der Windradfundamente das Gehör der Schweinswale. "Mütter erkennen dann ihre Jungtiere nicht mehr", warnt Stationsleiterin Tanja Rosenberg.

Seehunde sind am Sonntag (29.07.2012) in der Seehundaufzuchtstation in Friedrichskoog zu sehen. Foto: Daniel Bockwoldt dpa/lno
Naturschutz soll nicht vergessen werdenBild: picture-alliance/dpa

Altmaier verspricht - auch hier anders als Rösler - den Naturschutz beim Netzausbau nicht zu vergessen. Hierzu gibt es auch gute Nachrichten: Die Stützen der Windräder entwickeln sich zu Kleinbiotopen für Meeresgetier, und in der Fischereisperrzone um die Windparks vermehren sich die Fische wie lange nicht mehr.