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AfD will in die Mitte

Kay-Alexander Scholz22. März 2014

Der Parteitag der Alternative für Deutschland (AfD) begann mit einem bisher ungewohnten öffentlichen Machtspiel zwischen Basis und Führung der Partei. Doch beim Europawahl-Programm zeigte man sich geschlossen.

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Parteitag Alternative für Deutschland (AfD) in Erfurt Bernd Lucke (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Markus Wegner aus Hamburg sprach aus, was derzeit offensichtlicher Kontrast zwischen Anspruch und Wirklichkeit innerhalb der Alternative für Deutschland ist. Zum Gründungsmythos der Partei gehöre es, den Bürgern Politik näher bringen zu wollen und rechtzeitig alle Ebenen einzubeziehen. Nun aber habe die Parteiführung einen wichtigen Antrag zu politischen Leitlinien viel zu spät versandt, "weil dieser ersatzlos durchgewunken werden soll".

Er war nicht der Einzige, der Kritik an AfD-Chef Bernd Lucke und der Parteiführung übte. Stundenlang stritten die Mitglieder am ersten Tag ihres Bundesparteitags in Erfurt über die vorgeschlagene Tagesordnung des Vorstands. So stemmte sich die Basis vor allem gegen geplante Satzungsänderungen, die Lucke und den Bundesvorstand mächtiger gemacht hätten. Mit Erfolg, der Punkt wurde vertagt.

Gespaltenes Verhältnis zu Lucke

Man wollte dem autokratischen Verhalten Luckes etwas entgegensetzen, hieß es zur Begründung. Lucke selbst versuchte im Interview der Deutschen Welle die Ereignisse herunterzuspielen. Es habe nur Informations- und Kommunikationsdefizite gegeben, sagte Lucke. Der Konflikt sei ausgeräumt, ein Konsens hergestellt.

Es war der erste öffentliche Moment in der Geschichte der vor einem Jahr gegründeten AfD, in dem der sonst so beherrschende Lucke sichtbar an Strahlkraft verloren hatte. Doch der Moment dauerte nicht lange.

In seiner dann folgenden Rede schaltete Lucke auf den bewährten Attacke-Modus. Die Altparteien hätten versagt. Deutschland und Europa hätten im Zuge der Eurokrise Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung Schaden zugefügt. Weil aber bei Bevölkerung und Medien der Aufstand ausgeblieben sei, habe sich die AfD gegründet, erinnerte Lucke. Hinter dieser Einschätzung konnten sich die rund 1000 Mitglieder des Parteitags wieder zusammenraufen, es gab stehende Ovationen.

Neues Etikett gesucht

Doch die AfD weiß, dass Kritik allein langfristig keinen Erfolg verspricht. Deshalb will die Parteiführung an diesem Wochenende in Erfurt programmatisch nach vorne gehen. Wie ein Bremsklotz wirkt dabei das Etikett der AfD, eine rechtspopulistische Partei zu sein. Lucke will dieses Etikett wieder loswerden und behauptete, die Medien seien schuld an dieser Zuschreibung. In Erfurt verortete er die AfD deshalb in der Tradition der Freiheitsbewegung von 1848, "dem Aufbegehren der Bürger gegen Obrigkeitsstaat und als Ausdruck der Mündigkeit der Bürger". Und noch ein historischer Vergleich soll die AfD von allen anderen abgrenzen. Die "Symbiose von Humanismus, Aufklärung und Christentum" seien prägend für das Wertegefüge der AfD, so Lucke. Im DW-Interview führte er diesen Punkt weiter aus. Die Partei stünde "über der üblichen politischen Verortung". Sie sei unideologisch und offen für alle politischen Richtungen, falls sie die staatsbürgerlich geprägten Werte der AfD teilten.

Der Spitzenkandidat für die Europawahl, Hans-Olaf Henkel, - auch er auf der Suche nach einem neuen Etikett für die AfD - weist Kategorien wie links und rechts gleich ganz von sich. Allerdings seien alle anderen Parteien nach links gerückt und deshalb gebe es die relative Wahrnehmung, dass die AfD rechts stehe. Doch eigentlich sei man in der Mitte verortet.

Parteitag Alternative für Deutschland (AfD) in Erfurt Hans-Olaf Henkel (Foto: dpa)
Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl: Hans-Olaf HenkelBild: picture-alliance/dpa

Europawahl-Programm beschlossen

5000 der nach eigenen Angaben 18.000 AfD-Mitglieder haben sich an einer Umfrage zum Europawahl-Programm beteiligt. Das 26-seitige Ergebnis wurde zusammen mit zahlreichen Änderungsanträgen diskutiert und mit nur einer Handvoll Gegenstimmen beschlossen. Die AfD schließt damit eine Lücke, denn ein umfassendes Programm hatte die Partei bisher nicht. Sie einte bisher eine diffuse Frontalopposition gegen die Euro-Rettungspolitik und die "Altparteien". Das zog viele Protestwähler an, selbst von der Linkspartei. Aus dem allgemeinen "Nein" sind nun viele konkrete Neins geworden: Gegen Mindestlohn, Vorratsdatenspeicherung, Frauenquote, EEG, Sommerzeit oder die Aufnahme der Türkei in die EU.

Die AfD hat gute Chancen, Abgeordneten ins Europa-Parlament entsenden zu können. Umfragen sehen die Partei bei rund sieben Prozent. Man wolle sich dort nach Gleichgesinnten umschauen, so Henkel. Werden das rechtspopulistische Parteien anderer Länder sein?