Alte Plakate, vertraute Botschaften
Als Wahlkampf noch echter Streit zwischen ideologischen Lagern war: Vom Feindbild Kommunismus über die Angst vor roten Socken bis zu Börsen-Spekulanten. Mit welchen Sprüchen die Parteien früher Wahlen gewinnen wollten.
CDU 1953: Weiter so!
Mal was Neues wagen? Zumindest bei der zweiten Bundestagswahl in der Geschichte der Bundesrepublik 1953 wollte sich die CDU darauf nicht einlassen. Den Wählern schien der Kurs zu gefallen: Die Christdemokraten holten die absolute Mehrheit. Und der Slogan "Keine Experimente" ging als einer der bekanntesten in die Geschichte der Wahlwerbung ein.
SPD 1949: Harter Lagerwahlkampf
Demokratie und Sozialismus - für die traditionelle Arbeiterpartei schien dies 1949 nach der Gründung der Bundesrepublik noch möglich. Bei der ersten Bundestagswahl wollte die Partei im geteilten Deutschland eine Brücke zwischen West und Ost schlagen und setzte auf regulierte Planwirtschaft. Die neu gegründete CDU hingegen warb mit Westbindung und sozialer Marktwirtschaft.
CDU 1949: Feindbild Sozialismus
Bei der ersten Bundestagswahl im August 1949 lag Deutschland noch vielerorts in Trümmern. Naheliegend also, dass die Parteien mit Wiederaufbau-Versprechen ihre Wähler lockten. Bei der CDU klang das dann so: "Aufbau und Arbeit" statt "Bürokratie und Zwangswirtschaft". Letztere verortete sie bei der SPD.
CDU 1953: Kanzler aus Köln
Wie auf einem alten Ölgemälde schaute Konrad Adenauer seine Wähler an. Ob's an seinem eindringlichen Blick lag? Jedenfalls schaffte der katholische CDU-Politiker aus dem Rheinland die Wiederwahl 1953. Die Ära Adenauer sollte noch eine Dekade andauern - erst 1963 löste ihn Parteikollege Ludwig Erhard ab.
FDP 1953: Die Sowjets kommen!
Subtil geht anders: Die Liberalen warnten 1953 ausdrücklich vor dem SPD-Kanzlerkandidaten Erich Ollenhauer. Auf dem Plakat wurde er als Helfershelfer der UdSSR verunglimpft. Die Darstellung Moskaus als toter Sämann spielte auf die Angst vieler Wähler vor der Sowjetunion an. Der Plan ging auf: Adenauer mit seinem antikommunistischen Kurs wurde wiedergewählt.
CDU 1965: Kinder, Küche, Konsum
Eine adrett gekleidete Mutter, die mit ihrem Kind einkaufen geht - bei den deutschen Wählern kam diese vermeintliche Hausfrauen-Idylle gut an. Mit seinem konservativen Kurs und dem Versprechen "Wohlstand für alle" fuhr CDU-Kanzlerkandidat Ludwig Erhard 1965 bei den Bundestagswahlen den bis dahin zweitgrößten Wahlsieg in der Geschichte der Union ein.
SPD 1969: "Die richtigen Männer"
Eine Plakatwand, mit der man heutzutage wohl nicht mehr punkten könnte: Nur mit männlichen Kandidaten warben die Sozialdemokraten 1969 um Wähler. Dem damaligen Vizekanzler und Außenminister Willy Brandt gelang damit nach zwei gescheiterten Versuchen endlich der Einzug ins Bundeskanzleramt - in einer sozial-liberalen Koalition aus SPD und FDP.
SPD 1972: Ikone Willy Brandt
Klare Botschaft der Sozialdemokraten: "Willy Brandt muss Kanzler bleiben." 1972 wurde die SPD mit 45,8 Prozent zur stärksten Fraktion im Bundestag. Das hervorragende Wahlergebnis galt als Zustimmung zu Brandts Entspannungspolitik gegenüber den Ostblockstaaten. Für diese Politik erhielt die SPD-Ikone 1971 den Friedensnobelpreis.
Grüne 1983: Flower Power
Auch wenn das Symbol inzwischen Retro-Charme hat: Die Sonnenblume gehört einfach zu den Grünen. Mit ihr schaffte es die Öko-Partei 1983 erstmals in den Bundestag - Spitzenkandidat Joschka Fischer (ganz rechts) sogar in Turnschuhen. Ihr Image als Birkenstock- und Strickpulli-Fraktion haben die Grünen längst abgestreift. Die Sonnenblume nicht.
CDU 1994: Rote Socken, nein danke
Die Rote-Socken-Kampagne der CDU war umstritten, die Botschaft klar: Es war eine Kampfansage an eine mögliche Koalition aus SPD und PDS. Die "Partei des demokratischen Sozialismus", vor der CDU-Generalsekretär Peter Hintze damals warnte, war die SED-Nachfolgepartei. Die Staatspartei der DDR ging 1946 aus der Zwangsvereinigung von SPD und KPD in der sowjetischen Besatzungszone hervor.
CDU 1994: Kanzler der Einheit
Siegessicher blickte Helmut Kohl seine Wähler an. Die CDU warb mit dem Kanzler der Einheit und mit schwarz-rot-goldener Flagge. "Es geht um Deutschland", und Deutschland, so suggerierte der Slogan, sei bei Kohl in besten Händen. Das Kalkül ging auf. SPD-Gegenkandidat Rudolf Scharping (rechts) hatte da wohl etwas zu lässig sein Sakko über die Schulter gehängt.
FDP 2002: "Projekt 18"
18 Prozent wollte Guido Westerwelle 2002 bei den Wahlen für die FDP holen. Zwar verbesserte sich der Stimmenanteil seiner Partei von 6,2 Prozent (1998) auf 7,4 Prozent. Die angestrebten 18 Prozent des FDP-Vorsitzenden entpuppten sich jedoch als Wunschdenken. Dabei hatte Westerwelle sich die gelbe 18 sogar auf seine Schuhsohlen eingraviert. Vergeblich.
Linke 2005: Gelbe Zunge für Merkel
Provokation pur - allerdings nur für die, die sie auch verstehen. Katja Kipping, Kandidatin der Linken/PDS, wollte Angela Merkel die Zunge rausstrecken. Die gelbe Zunge erinnerte natürlich sofort an das berühmte Markenzeichen der Rolling Stones. Die Anspielung auf den Hit "Angie" erschloss sich allerdings nur Eingeweihten.
Grüne 2009: Kreuzberger Kultplakat
So bunt wie ein Hippie-Comic waren die Wahlplakate des Grünen-Politikers Christian Ströbele. 2002 schaffte er es - dank dieser Werbung? - erstmals per Direktmandat in den Bundestag. Und das, obwohl viele Exemplare geklaut worden waren. Denn die legendären Poster sollen in so mancher Kreuzberger WG-Küche hängen.