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Alte Bücher gehen neue Wege

Sven Schade6. September 2004

Während der stark gebeutelte Buchhandel allgemein unter der stagnierenden Kauflust leidet, verzeichnet das Geschäft mit antiquarischen Büchern mehr Umsatz. Aber für die Antiquariate ist das noch kein Grund zum Jubeln.

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Gefragt: antiquarische LiteraturBild: dpa

2,6 Prozent mehr Umsatz macht der Handel mit antiquarischen Büchern - doch das ist eine rein quantitative Angabe. Die Antiquariate haben ihre Probleme eher mit qualitativen Veränderungen. Durchschnittlich wird ein Drittel des Umsatzes über den Internet-Vertrieb erwirtschaftet. Ein Antiquar, der nicht am Online-Markt beteiligt ist, hat es extrem schwer. Bernd Heinisch, Geschäftsführer der Internet-Plattform ZVAB - dem Zentralen Verzeichnis Antiquarischer Bücher -, gibt sich positiv und weist darauf hin, dass im antiquarischen Handel sowohl teure Luxusgüter als auch die preiswerten Gebrauchsgüter verkauft werden. Nach seiner Meinung ist genau diese paradoxe Mischung für diese relativ stabile Nachfrage verantwortlich.

Die ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Denn gerade mit dem 1996 eröffneten ZVAB - oder allgemein mit dem Internet - hat sich der Markt enorm gewandelt. Während man früher für eine Buch-Suche tagelang Läden abklappern musste, genügen heute nur einige Mausklicks. Das Angebot umfasst neun Millionen Titeln: die Bestände von 1500 professionellen Antiquariats-Händlern, die Mitglied beim ZVAB sind. Einer von ihnen ist Horst Herkner, der in Berlin im Bezirk Prenzlauer Berg sein Antiquariat am Kollwitzplatz führt: "In den letzten Jahren hat sich diese Branche so verändert, dass inzwischen 95 Prozent unseres Umsatzes über das Internet abgehen."

Das Berufsbild des Antiquars ändert sich

Beim ZVAB wiederum - also übers Internet - ist die Anzahl an bestellten Titeln seit 2001 um jährlich 25 bis 30 Prozent gestiegen. Ebenso der über das ZVAB abgewickelte Umsatz. Und vermutlich wird die steigende Tendenz des Antiquariat-Internet-Handels anhalten. Doch: auch angesichts dieser Zahlen ist bei Deutschlands Antiquaren - mal abgesehen vom ZVAB - von Jubel nichts zu spüren. Denn: Wenn nur noch über Versand und Internet verkauft wird, werden die eigentlichen Läden, die begehbaren, richtigen, nicht-virtuellen Antiquariate sterben.

Auch das Berufsbild des Antiquars wird sich ändern. "Früher war der klassische Antiquar spezialisiert in ein, zwei Richtungen und dadurch hundertprozentig informiert und allumfassend auch sortiert in den Regalen", sagt Antiquar Herkner. Heute hingegen nutzt er sein Geschäft eher wie ein Depot, in dem die Bücher nur noch gelagert werden, um sie nach der Online-Bestellung zu verschicken. Viele Antiquariate haben ihren Laden hauptsächlich noch als Adresse für den Ankauf.

Es fehlt der Kontakt mit den Menschen

Ein anderer Berliner Antiquar, Eckard Düwal, kann sich noch immer nicht mit der neuen Situation anfreunden. Sein traditionsreiches Antiquariat hat eine großzügige Verkaufsfläche und prächtige Schaufenster. Alles schön und gut. Aber: die Kundschaft bleibt aus. Um wenigstens die Betriebskosten des Geschäfts aufzubringen, wird Düwal nach langem Zögern jetzt auch beim Internet-Verbund mitmachen: "Es gibt nun leider keine andere Möglichkeit mehr." Er bedauert vor allem den fehlenden Kontakt mit Menschen, wenn jetzt praktisch nur noch die Schiene der virtuellen Suchmaschinen gefahren wird.

Kontakt mit Menschen - das waren angehende junge Wissenschaftler, die sich ihre Privatbibliotheken aufbauten. Das waren Germanisten, denen er eine Lektüre empfahl. Solche Kunden hatten damit dann nicht nur ein Buch, sondern zugleich ein noch unentdecktes Forschungsgebiet erstanden. Wie der Markt - so hat sich auch die Kundschaft verändert. Doch solchen Wechsel können Statistik und Studien nur selten berücksichtigen.