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Als Tschernobyl-Ersatz werden auch Kohlekraftwerke modernisiert

John Hay16. November 2001

Siemens in der Ukraine

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Ein Teil des Programms ist auch, die Effektivität der altertümlichen Kohlekraftwerke in der Ukraine zu steigern und diese gleichzeitig sauberer zu machen. Als erstes westliches Unternehmen ist die deutsche Firma Siemens dabei, im Konsortium mit drei deutschen Kesselherstellern im nordukrainischen Smijew ein ukrainisches Kohlekraftwerk umfassend zu modernisieren.

Ukrainische Arbeiter werkeln an einer der zehngewaltigen
Dampfturbinen, die nebeneinander aufgereiht wie schlafende Riesen in der Turbinenhalle des Kraftwerks liegen. Ein Großteil der ukrainischen Kohlekraftwerke wurde in den 60er Jahren errichtet und seitdem nicht modernisiert. Entsprechend sehen sie aus: Der Beton bröckelt allenthalben, dunkle Schmutzwolken tauchen die Schornsteine der Kraftwerke in künstlichen Nebel, selbst an sonnigen Tagen. Die neue Turbine, die von einem deutschen Konsortium unter der Führung von Siemens in Smijew bei Kharkov installiert wird, entspricht dem neuesten Stand der Technik und soll die Leistung des sogenannten 'Block 8' um rund zwanzig Prozent erhöhen. Bausstellenleiter Fritz Anklam erklärt die Funktionsweise der hochmodernen Elektrofilter, die
fast die gesamte Flugasche aus der Luft holen können:

"Wir stehen hier im Bereich der E-Filter, unter den Filtern, im
Bereich der Bunker in welchen die Flugasche, die aus dem Abgasstrom herausgefiltert wird. Die setzt sich hier in den Bunkern ab und wird dann über einem Rohrleitungssystem teilweise der Verbrennung wieder zugeführt."

Wie ein Schneemann in weißen Overalls, mit weißem Helm und Atemmaske wandelt Siemens-Baustellenleiter Fred Anklam durch die Halle. Es herrscht akute Asbestgefahr, da die alten Turbinen mit einer dicken Asbestschicht umhüllt sind. Sowohl Asbest als auch die dicken Kohlestaubwolken sind eine Plage für das Land. Nachdem Block 8 des Smijew-Kraftwerkes fertiggesellt ist, werden 18.000 Tonnen weniger
Flugasche im Jahr über das Land niedergehen, so die Planung. Die Emissionen an Schwefeldioxid werde sich um mehr als 2 000 Tonnen vermindern, heißt es. Das Projekt, durch die Bundesregierung mit einer Hermes-Bürgschaft unterstützt, hat Vorbildcharakter. Fritz Anklam:

"Der Bedarf hier in der Ukraine ist riesig groß. Es gibt hier
insgesamt etwa 40 Blöcke dieser Art und momentan schaut die ganze Ukraine auf dieses Vorhaben. Die Kraftwerksbetreiber schauen auf uns. Es gibt öfter Besucher, Führungen und alle schauen natürlich, wie wir das Konsortium gemeinsam mit dem Kunden dieses Projekt über die Bühne bringen, wie wir das abwickeln. Und alle werden natürlich
fragen: Was kommt dabei raus? Wie effektiv läuft diese Anlage?"

Entscheidend für die Effektivität der Anlage mit einem
Investitionsvolumen von rund 140 Millionen Mark ist auch die neue Leittechnik, die Siemens gerade mit ukrainischen Partnern installiert. Neben einem Schaltraum mit altertümlichen Knöpfen und Hebeln ist ein neuer Raum eingerichtet worden, der mit Computern vollgestellt ist - immer noch Mangelware selbst in ukrainischen Kraftwerken. Eine ukrainische Firma hat die Verkabelung und Montur der neuen Schaltkästen komplett übernommen - die Deutschen haben
lediglich die Bauteile und Pläne dafür geliefert.

Fritz Anklam merkt an, dass die ukrainischen und russischen Kollegen sehr genau nachfragen, wie selbst die kleinste Schraube gefertigt wird - um sie später selbst nachbauen zu können. Industriespionage ist das für Fritz Anklam nicht - hat doch das Projekt in Smijew den Charakter eines Entwicklungshilfeprojektes.