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Alois Glück: Diskussionen ohne Tabus

Stefan Dege28. Mai 2014

Zum Beispiel Sexualmoral, zum Beispiel Arbeitsrecht - beim Katholikentag in Regensburg werden brenzlige Themen diskutiert. Viel Raum zur Debatte sieht der Gastgeber, ZdK-Präsident Alois Glück, im DW-Interview.

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Alois Glück
Bild: AP

Unter Katholiken, Herr Glück, werden viele strittige Themen diskutiert, etwa die Schwangenkonfliktberatung, der Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen, die katholische Sexualmoral etc. Gibt es beim Katholikentag in Regensburg Tabus?

Ich sehe kein Tabu, Nein. Entscheidend ist, daß wir eine gute Gesprächskultur haben. Und ein Ziel beim Katholikentag mit dem Motto "Mit Christus Brücken bauen" ist es, innerkirchlich Brücken zu bauen, sich nicht wechselseitig schnell wieder ausgrenzen über Frömmigkeitsformen oder sonst was. Und da bin ich sehr zuversichtlich, dass der Katholikentag dafür auch eine integrierende Wirkung zeigen wird.

Wo sehen Sie Bewegung?

Bewegung gibt es etwa im Ringen um eine bessere Regelung für den Zugang wiederverheirateter Geschiedener zu den Sakramenten – aber letztlich ist das eine Entscheidung der Weltkirche. Papst Franziskus hat eine Bischofssynode einberufen, die sich auch damit befassen wird. Im Bereich des kirchlichen Arbeitsrechts ist vieles in Bewegung gekommen, auch was die Rolle der Frauen in der Kirche betrifft. Für sie werden gewissermaßen alle Aufgaben offen sein - unterhalb der Schwelle des Weihamtes. Gleichwohl bleibt das zentrale Thema: Wie gelingt es, den Menschen von heute, unter den Bedingungen und den Weltbildern von heute, die Botschaft des Evangeliums verständlich zu machen?

Die Laien können in Regensburg viel diskutieren. Entscheiden werden am Ende die Bischöfe...?

Natürlich ist es so nach dem katholischen Kirchenverständnis - das Lehramt trifft Entscheidungen. Auch in anderen Organisationen gibt es Leitungsgremien. Generell aber geht es darum, dass außerhalb von Grundsatzfragen der Theologie, d.h. innerhalb der Kirche die Beteiligung zunimmt. Und hier ist Papst Franziskus eben ein großartiger Wegbereiter, der nicht einfach von oben her Entscheidungen trifft, sondern der Prozesse auslöst und für den kein Thema tabu ist. Diskutieren und im Gebet die Dinge reflektieren - das halte ich für einen sehr guten Weg.

Papst Franziskus hat seiner Kirche schon eine Reihe von Impulsen gegeben und viele Akzente gesetzt – auch unter Deutschlands Katholiken?

Ja ganz sicher: Das ist spürbar. Etwa in der konsequenten Zuwendung zu den Menschen kamen solche Impulse direkt vom Papst. Für die Vorbereitung der Familiensynode kamen die üblichen Vorbereitungspapiere aus den nationalen Kirchen nicht mehr nur von Ordinariaten und den Bischöfen. Der Papst hat veranlasst: Bezieht die betroffenen Menschen mit ein!

Akzente setzt er auch in der Frage: Wie den Armen zuwenden? Was heißt das – eine Kirche, die nicht um sich selbst kreist, sondern in erster Linie für die Menschen da ist? Das sind herausfordernde, unbequeme Botschaften von Franziskus. Und damit setzen wir uns auseinander.

Kann ein Hoffnungsträger wie Papst Franziskus die anhaltende Abkehr von vielen Gläubigen beenden?

Grundsätzlich ist die Situation der Weltkirche ja sehr unterschiedlich. Franziskus kann die Entwicklung nicht einfach stoppen, aber man spürt, dass weit über die Katholiken hinaus der neue Papst Aufmerksamkeit bekommt, dass die Menschen hinhören, dass sie Hoffnung haben.

Aber Veränderungsprozesse brauchen Zeit. Die Herausforderung für die Kirche liegt darin, wie sie erlebt wird, welche Sprache sie spricht, ob die Menschen dadurch Zugang finden. Oder ob die Kirche durch ihr Erscheinungsbild ein Hindernis ist für die Botschaft des Evangeliums. Das gibt es auch.

Muß die Kirche als moralische Institution wahrgenommen werden?

Ganz bestimmt. Eine Kirche, die den moralischen Zeigefinger erhebt und mit Verboten durch die Welt läuft, erleidet umso krasser Schaden, wenn wieder irgendwo innere Unwahrheiten sichtbar werden. Die größten Gefährdungen der Kirche sind ja nicht irgendwelche Bedrohungen von außen, sondern innere Unwahrhaftigkeiten.

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Alois Glück ist CSU-Mitglied und Präsident des Zentralkommittees der deutschen Katholiken, ZdK, das den Katholikentag in Regensburg ausrichtet.