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Verkaufsschlager: Alltag statt Akkusativ

Janina Semenova17. Juli 2015

Wer nach Deutschland kommt, muss schnell lernen, sich zu verständigen. Grammatik ist da nebensächlich, finden drei Lehrer aus Bayern. Das Lehrbuch dazu haben sie selbst geschrieben. Die Nachfrage ist riesig.

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Zwei Ex-Schulleiter geben Flüchtlingen Deutschunterricht. (Foto: dpa)
Bild: picture alliance/dpa/S. Puchner

Ohne Verständigung im Alltag keine Integration. Ein Sprachkurs ist für Flüchtlinge ein erster Schritt, sich einzuleben. Doch viele Asylbewerber in Deutschland sind auf die Unterstützung durch Ehrenamtliche angewiesen, denn Deutschkurse sind teuer.

Karl Landherr und Hans Dieter Hörtrich sind pensionierte Schulrektoren. In der bayrischen Kleinstadt Thannhausen geben sie Flüchtlingen ehrenamtlich Deutschunterricht. Doch für ihr Lehrkonzept fanden die beiden Pädagogen keine passenden Unterrichtsbücher. Deshalb entwickelten sie kurzerhand selbst ein Arbeitsheft, das ihren Ansprüchen genügt.

"Mit den vorhandenen Büchern für Deutschanfänger konnten wir nicht arbeiten", erklärt Autor Landherr im Gespräch mit der Deutschen Welle. Sie seien an sich zwar gut, legten aber zu großen Wert auf Grammatik.

Alltag: Einkaufen in der Praxis

Für Asylbewerber, findet Landherr, sei aber erst einmal die Integration in den deutschen Alltag wichtig. "Die Leute, die hier ankommen, brauchen einfache Sprachkenntnisse, um die ersten Monate zu überleben", sagt Landherr.

Gemeinsam mit seinem Kollegen Hörtrich und der Englischlehrerin Isabell Streicher hat er deshalb den "Deutschkurs für Asylbewerber - Thannhauser Modell" verfasst.

Karl Landherr gibt Deutschunterricht für Asylbewerber. (Foto: dpa)
Praxisnah soll es sein: Karl Landherr engagiert sich ehrenamtlich in der Kleinstadt ThannhausenBild: picture alliance/dpa/S. Puchner

Der Schwerpunkt des Arbeitsbuchs liegt auf praktischen Problemen des Alltags. So befasst sich etwa ein Kapitel mit dem Einkaufen in Deutschland. Darin geht es um Fragen wie: "Was brauche ich?", "Wie frage ich danach?", aber auch "Was könnte ich gefragt werden?".

Wichtig sei aber auch die Kulturvermittlung, findet Landherr. Deshalb schauen sich die Ehrenamtlichen in Thannhausen gemeinsam mit den Flüchtlingen die Prospekte der Supermärkte an und gehen mit ihnen in die Geschäfte. "Wir sagen ihnen auch: 'Nutzt die Sonderangebote!'", lacht Landherr. Generell spricht er in seinen Kursen über deutsche Gepflogenheiten wie etwa Pünktlichkeit beim Arzt.

Ehrenamtliche sorgen für Deutschunterricht

Ob Flüchtlinge überhaupt einen Sprachkurs bekommen, hängt stark vom Engagement der Bevölkerung ab. Denn einen Anspruch auf geförderte Integrationskurse haben ausschließlich anerkannte Flüchtlinge, erklärt Christiane Germann vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Das heißt: Nur Flüchtlinge, deren Asylanträge schon genehmigt wurden, können Deutsch lernen ohne auf die Hilfe von Ehrenamtlichen angewiesen zu sein oder die Kurse selber zu bezahlen.

Screenshot der Website deutschkurs-asylbewerber.de
Auf ihrer Internetseite verkaufen die Pensionäre ihr Arbeitsbuch und geben Tipps für ehrenamtliche LehrerBild: deutschkurs-asylbewerber.de

Allerdings, so Germann, wollen Bund und Länder "angesichts der weiter stark steigenden Zahl von anerkannten Schutzberechtigten" das Angebot von Integrationskursen erweitern. Damit würde es auch für Asylsuchende geöffnet, die gute Chancen auf eine Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland haben. Das Gesetzgebungsvorhaben läuft derzeit.

Darüber hinaus bieten mittlerweile auch verschiedene Bundesländer für die Zeit des Asylverfahrens verschiedene Projekte zur Integration an. So unterstützt das bayrische Sozialministerium ehrenamtlich getragene Sprachkurse für Asylbewerber mit 500 Euro.

Zukunft ist unklar

In vielen diese Kurse wird inzwischen das Deutschbuch der beiden Pensionäre aus Bayern genutzt. Innerhalb eines Monats hat es sich über die #link:http://www.deutschkurs-asylbewerber.de:Internetseite# mehrere tausend Mal verkauft, derzeit ist die dritte Auflage im Verkauf. Das Deutschbuch arbeitet mit Untertiteln auf Englisch, damit die Flüchtlinge es leichter haben, auch allein damit zu lernen.

Wie es mit dem "Thannhauser Modell" weitergeht ist allerdings noch ungewiss. Denn es ist ein Familienprojekt: Landherrs Sohn kümmert sich um den Vertrieb und dessen Frau lieferte die Zeichnungen, die den Flüchtlingen die Vokabeln veranschaulichen.

Gerade weil das Deutschbuch so gefragt ist, wird auch der Arbeitsaufwand im Zusammenhang mit Verlag und Versand immer mehr. "Unsere Hauptaufgabe ist ja eigentlich die ehrenamtliche Arbeit", bemerkt Klaus Landherr. Und die will er mit seinen Kollegen in Form der Sprachkurse auf jeden Fall weiterführen.