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Alles offen

17. September 2002

- In der Slowakei wird ein neues Parlament gewählt

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Köln, 16.9.2002, DW-radio, Vladimir Müller

Am nächsten Wochenende (20.-21.9.) wird in der Slowakei ein neues Parlament gewählt. Nach der friedlichen Trennung von den Tschechen seit 1993 selbstständig, steht das kleine Land mitten in Europa kurz vor Beitrittsverhandlungen mit der NATO und einer EU-Mitgliedschaft. Welche Aussichten die zur Wahl stehenden Parteien haben, in die künftige Regierung zu kommen und diese wichtigen Prozesse mitzugestalten, erläutert Vladimir Müller.

Eines steht fest: Die breite Rechts-Mitte-Links-Koalition, die seit 1998 regiert, wird nicht noch einmal zustande kommen. Vor vier Jahren verband sie alle der Wunsch, die Regierung des autoritären Ministerpräsidenten Vladimir Meciar abzulösen. Dieses Bindemittel gibt es heute nicht mehr. Denn einige der Koalitionsparteien werden aller Voraussicht nach die Fünf-Prozent-Hürde nicht überwinden.

Statt dessen drängen neu entstandene Parteien mit sehr guten Chancen auf Regierungsbeteiligung ins Parlament: So die Partei "Smer" - übersetzt: "Richtung" -, die aus den Wahlen als stärkste Kraft hervorgehen könnte. Umfragen zufolge liegt sie inzwischen bei rund 17 Prozent. Ihr jugendlich und dynamisch wirkender Vorsitzender Robert Fico verspricht Ordnung und Sicherheit, aber auch für die Slowaken günstigere Konditionen bei den EU-Beitrittsverhandlungen. Mit der nebulösen Formel eines "dritten Wegs" ist es dem 38-jährigen ehemaligen Postkommunisten gelungen, vor allem die Jugend für sich zu gewinnen.

"Smer" sei nichts weiter als eine PR-Agentur, die ein einziges Produkt - den Spitzenkandidaten Fico - verkaufe, meint der Soziologe Michal Vasecka vom unabhängigen "Institut für Fragen der Öffentlichkeit" in Bratislava: "Unter diesem Gesichtspunkt gibt es aus der Slowakei an der Schwelle zum EU-Beitritt zwei Nachrichten: Die schlechte ist, dass der Populismus im Lande relativ stark ist. Die positive ist, dass es nicht der Populismus des 19. Jahrhunderts ist, der sich ja auf einen strammen Nationalismus stützte. Im Gegenteil - es ist ein entleerter Marketing-Populismus, der ausschließlich auf Umfrage-Ergebnisse ausgerichtet ist."

Etwa gleich stark in den Umfragen ist die "Bewegung für eine demokratische Slowakei" (HZDS) des einstigen Ministerpräsidenten Vladimir Meciar. Er führte von 1994 bis 1998 das Land in die außenpolitische Isolation. Westliche Politiker warnen deshalb bereits seit Monaten vor einer Rückkehr Meciars an die Macht.

Michal Vasecka: "Diese Signale aus dem Ausland haben nur bestätigt, was die Mehrheit der Slowaken eigentlich schon gewusst hatte: Mit Meciar ist es nicht möglich, eine demokratische und moderne Slowakei aufzubauen. Obwohl er die Chance hat, die Wahlen zu gewinnen, ist es nur wenig wahrscheinlich, dass er sich an der Macht beteiligen könnte."

Denn alle anderen Parteien sind bereits zu dem innen- und außenpolitisch kompromittierten Meciar auf Distanz gegangen. Keiner ist bereit, mit ihm ein Bündnis einzugehen. Zudem hat sich seine Partei gespalten. Einen Teil der Wählerschaft hat die daraus hervorgegangene Partei HZD mitgenommen - die jetzt als möglicher Koalitionspartner für Ficos "Smer" gilt.

Von den derzeitigen Regierungsparteien werden wahrscheinlich nur drei den Sprung in den Nationalrat schaffen: die Christdemokraten von Ministerpräsident Mikulas Dzurinda (SDKU), seine christlich-konservative Schwester-Partei KDH und die Partei der ungarischen Minderheit (SMK). Alle drei zusammen werden aber den Umfragen zufolge unter 30 Prozent der Stimmen bleiben.

Der Grund für ihre gesunkene Popularität: Der "Anti-Meciar-Koalition" ist es zwar gelungen, die Demokratie-Defizite zu beseitigen und so das internationale Image des Landes entscheidend zu verbessern. Doch wird sie zu Hause vor allem für die hohe Arbeitslosigkeit - fast 20 Prozent - und die grassierende Korruption verantwortlich gemacht.

Trotzdem kann sich Dzurinda Chancen auf eine Beteiligung an der künftigen Regierung ausrechnen. Als mögliche Verstärkung für Dzurindas Block kommt ein anderer Neuling in Frage: die "Allianz des neuen Bürgers" (ANO) des Medien-Moguls Pavol Rusko. Für eine Regierungsmehrheit wird es aber Dzurinda auch mit diesem Partner nicht reichen. Welche Parteien schließlich die Regierungsgeschäfte in der Slowakei übernehmen werden, ist also offen. (ykk)