Krokes musikalisches Universum
8. Dezember 2009Mit charmantem Lächeln betreten die drei Polen die Bühne und greifen zu ihren Instrumenten. Kroke: Das sind Kontrabassist Tomasz Lato, der sein Instrument liebevoll Bascha nennt und es so behutsam wie eine Geliebte tätschelt. Der Zweite im Bund ist Geigenvirtuose Tomasz Kukurba, dessen aus der Form geratene Geige optisch eher an eine Bratsche erinnert und die wunderlichsten Töne von sich geben kann. Und schließlich Jerzy Bawol, dessen Akkordeon auch mal als Trommelkasten herhalten muss. Kroke-Fans wissen natürlich, dass sie jetzt keine klassische Klezmermusik erwartet, denn Krokemusik klingt alles andere als orthodox. Soll sie auch nicht, bestätigt Jerzy Bawol: "In Polen und überhaupt in Osteuropa bedeutet der Begriff Klezmer nichts weiter als Musiker; okay, ein jüdischer Musiker, aber das heißt nicht automatisch, dass er nur jiddische Musik macht. Ein Klezmer konnte alles spielen. Und so verstehen sich auch die Kroke-Musiker als Klezmer, die sich keine Grenzen setzen und die Türen weit öffnen, statt sie zu schließen.
Liebenswerte Schnurren und skurrile Dialoge
Auch auf der Bühne klingen nur die ersten zwei Stücke nach Klezmer jiddischen Ursprungs, dann haben sich die Musiker warm gespielt. Bewusst präsentiert sich das Trio mit schwarzem Schlapphut und weißem Hemd, um an Musikanten von anno dazumal zu erinnern; ein visueller Kick, der in deutlichem Kontrast zu den ungewohnten Klängen steht. Denn Kroke liebt es, Überraschungen musikalischer Natur ins Programm einzuflechten; dann lebt jeder seine persönlichen, liebenswerten Schnurren aus. Besonders deutlich wird das, wenn Geigenvirtuose Tomasz Kukurba stimmliche Kapriolen vollführt und die Instrumente seiner beiden Mitstreiter sich auf einen skurrilen Dialog einlassen.
Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt
Mal mutiert seine Stimme zu einem Instrument der Klage, dann schwebt sie beim orientalisch angehauchten "Mecalakuku" seltsam hoch über den Klangteppich hinweg. Gefühle von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt liegen in Krokes musikalischem Universum sehr nah beieinander. "Da bewegen wir uns ganz in der jiddischen Klezmertradition, die in ein und demselben Augenblick die unterschiedlichsten Stimmungen durchleben und darstellen konnte", sagt Jerzy Bawol. "Das ist unser musikalisches Erbe, es ist seit 800 Jahren in unserem Blut und wie eine Fortsetzung der Geschichte."
Klangbilder wie Gemälde
Sein neues Album hat Kroke "Out of Sight" genannt, außer Sichtweite vorgefertigter Klänge eben, stattdessen immer auf der Suche nach neuen Perspektiven. Ein bisschen erinnern Krokes Klangbilder an Gemälde, die jedem Betrachter seine eigene Traumwelt ermöglichen. Für das Trio sind die Klezmer-Melodien nur Eckpfeiler ihrer Kompositionen. Von hier aus starten sie ausgedehnte Streifzüge in andere Musikwelten, experimentieren, improvisieren und haben sichtlich Spaß daran. "Wir wollen uns nicht auf einzelne Sinneswahrnehmungen beschränken wie nur das Sehen oder nur das Hören, Musik sollte alle Aspekte unseres Seins erfassen, auch das Schmecken und Fühlen", erklärt Bawol. "Das gibt den Zuhörern die Möglichkeit, ihre eigene Sichtweise auf die Klänge auszuleben und in sich selbst verborgene Bereiche zu entdecken."
Eine neue Spezies Kroke
Beim neuesten Musikerstreich war das Trio selbst unsicher, so gesteht Jerzy Bawol, ob man nach all den langen Jahren noch etwas bis dato Ungehörtes auf CD verewigen kann. Er war felsenfest überzeugt, dass es sehr schwer ein würde. Als das Trio dann mit dem fertigen Album aus dem Aufnahmestudio kam, war er wohl selbst am meisten überrascht. "Es ist toll", sagt Bawol, "es ist was vollkommen Neues dabei herausgekommen, eine neue Spezies Kroke sozusagen."
Autorin: Suzanne Cords
Redaktion: Matthias Klaus