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Aller Anfang ist anders

Rafael Heiling14. April 2003

Thailand feiert gerade. Tibet hat schon. Indonesien steht es noch bevor. Buddhisten feiern mehrmals Neujahr – je nachdem, wo sie leben. Jedes Jahr wird der Festkalender neu berechnet.

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Neujahr kann nass seinBild: AP

Thailand und Laos sind gerade dabei, den Geist des alten Jahres zu überzeugen, dass er abtreten muss. Auf Thailändisch heißt das "Songkran", die Laoten sagen "Bun Pii Mai". In beiden Fällen läuft es auf ein nasses Fest hinaus: Tagelang begießen sich alle möglichst oft mit Wasser, um gereinigt ins neue Jahr 2543 zu gehen. Vor allem die Hauptstadt von Laos, Luang Phabang, ist zur Neujahrszeit im Feier-Fieber. Die Menschen ziehen mit bedruckten Fahnen, Vögeln in Käfigen und Fischen in wassergefüllten Beuteln zum Fluss Mekong. Dort lassen sie die Tiere auf einer Insel frei, am Strand bauen sie Tempeltürme (Stupas genannt) aus Sand, über allem hängt der Klang von Trommeln, Schellen und Schalmeien. Die Tempel werden gereinigt, die Buddha-Statuen gewaschen – das geht bis zu sieben Tage so, in diesem Jahr bis zum 15. April 2003.

Beim neuen Jahr ist alles anders

Anderswo hat das neue Jahr längst begonnen. Zum Beispiel in Tibet, wo Neujahr als "Losar" gefeiert wird, mit Prozessionen und speziellen Kuchen oder Suppen mit Reis, Fleisch, Käse und Kartoffeln darin. In Tibet schreibt man seit dem 3. März 2003 das "Erde-Schaf-Jahr" – und auch nicht 2003 oder 2543, sondern 2130. In Indonesien steht die Jahreswende Mitte Mai bevor.

Eine recht verwirrende Zeit-Vielfalt für westliche Gewohnheiten. "Das hat mit den verschiedenen Kulturen zu tun, in denen es den Buddhismus gibt", erläutert Franz-Johannes Litsch, Mitglied im Rat der Deutschen Buddhistischen Union. "Einige richten sich eher nach westlichen Kalendern, andere nach alten oder noch älteren", erklärt er DW-WORLD. In Tibet etwa geht die herrschende Tradition auf eine Schriftübersetzung aus dem Jahre 1027 zurück. Letztlich gibt es drei verschiedene Wege, einen Kalender zu erstellen. So beschreibt es Gregor Verhufen, Tibetologe an der Universität Bonn, gegenüber DW-WORLD. "Jedes Jahr wird der Kalender neu berechnet, abhängig von den Mondphasen. Es kann vorkommen, dass es Monate oder Tage doppelt gibt oder dass welche wegfallen." Selbst innerhalb Tibets sei die Zeitrechnung unterschiedlich. "Und Sri Lanka und Thailand, die beide zur gleichen buddhistischen Schule gehören, zählen mit einem Jahr Unterschied", erklärt Litsch.

Ohne Altlasten ins neue Jahr

Egal, welches Jahr nun eingeläutet wird, der Zweck von Neujahrsfeiern scheint überall gleich zu sein: "Bei uns will man mit dem Feuerwerk die bösen Geister wegschießen", sagt Verhufen. "Und auch im Buddhismus verabschiedet man sich von den störenden Kräften des alten Jahres." Einen direkten Bezug zu Buddhas Leben habe das Fest zwar nicht, wie Litsch findet. Für Buddhas Geburt, Erleuchtung und Eingang ins Pari-Nirvana gibt es eigene Feierlichkeiten, genannt Vesakh, "die sind auch wichtiger". Trotzdem ist Neujahr laut Verhufen für die Tibeter "schon ein großes religiöses Fest".

Und das feiern auch Buddhisten in anderen Ländern. Selbst im deutschen Wuppertal kann Neujahr Mitte April stattfinden, mit Opfer-Speisen und Meditation wie in Thailand. "Losar" gab es Anfang März auch in Freiburg. Verhufen weiß: "In England ist Buddhismus ganz groß. Und um Zürich herum leben gut 2000 Exil-Tibeter, die nach alten Traditionen feiern." Nur Wassergüsse, die entfallen in Deutschland. Wohl aus Erkältungsgründen.