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"Allein mir fehlt der Glaube"

29. Dezember 2010

Bei allen optimistischen Prognosen werde ein Punkt gern übersehen, warnt Henrik Böhme. Und zwar die immense Staatsverschuldung in Europa.

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Porträt Henrik Böhme (Foto: DW)
Henrik Böhme, Leiter der WirtschaftsredaktionBild: DW

Alle reden nur noch vom Aufschwung. Fünf fette Jahre, mindestens, stünden Deutschland bevor, vom neuen deutschen Wirtschaftswunder ist die Rede. Es ist, als sei Ludwig Erhard auferstanden, jener deutsche Wirtschaftsminister, der als Schöpfer dieses Wunders in den 1950er-Jahren gilt. Man hört von Vollbeschäftigung und davon, dass der Staat demnächst keine neuen Schulden mehr aufnehmen müsse.

Allein, mir fehlt der Glaube. Es ist noch gar nicht lange her, da hörte man ähnlich optimistische Töne - das war im Jahr 2007. Die Wirtschaft des Landes hatte nach einer Durststrecke wieder Tritt gefasst, und die Wachstumsraten waren ähnlich wie heute. Schon damals schickte die Subprime-Krise ihre ersten Schockwellen über den Atlantik, doch die wurden ausgeblendet.

Dann aber kam der 15. September 2008, das Ende von Lehman und der Beginn der großen Krise. Die Optimisten verschwanden in der Deckung. Jetzt sind sie alle wieder da. Aber sie blenden die gigantischen Schuldenberge aus, die eine riesige Bedrohung sind. Freilich sind die gestrengen Verfechter einer rigorosen Sparpolitik derzeit die größte Gefahr für den Aufschwung.

Aber irgendwann muss Schluss sein mit den Konjunkturhilfen, und dann beginnt der heiße Tanz erst wirklich. Auch andere Gefahren blenden die Optimisten aus: die gespaltene Weltwirtschaft. Auf der einen Seite robustes Wachstum in China, Indien und anderen Schwellenländern, auf der anderen Seite die USA, die ihre Wirtschaft einfach nicht wieder in Schwung bekommen - und der Großteil Europas mit eher dürftigen Zuwachsraten. Das könnte die weltweiten ökonomischen Ungleichgewichte noch verstärken.

Zudem müssen beispielsweise die Chinesen dringend die Binnennachfrage erhöhen, um ihre Exportabhängigkeit zu reduzieren.

Die größte Sorge aber verdient im neuen Jahr der Euro. Zerbricht die Währungsunion, weil weitere Mitgliedsländer unter ihrer Schuldenlast zusammenbrechen, spätestens dann sind alle Prognosen nur noch Makulatur.

Autor: Henrik Böhme
Redaktion: Kay-Alexander Scholz

Lesen Sie auch die Gegenmeinung von Rolf Wenkel im folgenden Link!