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"Alle zufrieden"

Rupert Wiederwald2. April 2004

In Deutschland wird heftig um die so genannte Ausbildungsabgabe gestritten. In anderen Ländern hat man damit schon längst positive Erfahrungen gemacht - sogar in den USA.

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Ausbildung in SichtBild: AP

Jedes Jahr suchen hunderttausende Jugendliche in Deutschland eine Ausbildungsstelle - und von vorneherein ist klar, dass nicht alle einen Platz ergattern. Mehrere tausend bleiben ohne Ausbildung - ein Skandal wie Öffentlichkeit und Politik dann unisono aufschreien. Doch was tun, wie kann man mehr Ausbildung schaffen, ohne der Wirtschaft immense Kosten zu verursachen? In den Gewerkschaften und Teilen der regierenden SPD wird eine Ausbildungsabgabe vorgeschlagen: Unternehmen, die nicht ausbilden, sollen zahlen. Das Arbeitgeberlager sieht darin einen Rückfall in die sozialistische Planwirtschaft, die Opposition ist ebenfalls dagegen. Wie haben andere europäische Länder dieses Problem gelöst, ist es überhaupt lösbar?

Einfaches Frankreich

Vieles scheint einfacher zu sein in Frankreich. Denn während in Deutschland die Diskussion um eine Ausbildungsabgabe mit fast religiösem Eifer geführt wird, gibt es sie in Frankreich schon lange. Allerdings in einer etwas anderen Form. Denn während man in Deutschland nach dem Motto verfährt: Wer nicht ausbildet, muss zahlen, wird in Frankreich jeder Betrieb mit mehr als 20 Mitarbeitern zur Kasse gebeten. Und aus der heraus werden dann Weiterbildungs- und Ausbildungsprogramme bezahlt. Kann ein Betrieb nachweisen, dass er selber seine Mitarbeiter schult, verringert sich diese Summe. Und es ist nicht so, dass die Betriebe lieber das Geld bezahlen als auszubilden, wie Gerhard Bosch vom Institut für Arbeit und Technik herausgefunden hat: "In Frankreich kaufen sich die Betriebe durch diesen Fonds nicht frei - was ja in Deutschland weitgehend behauptet wird. Sie bilden mehr aus als sie müssten, um das Geld im Betrieb zu halten." Und das System scheint alle Seiten zufrieden zu stellen: Erst dieses Jahr haben die konservative Regierung, Arbeitgeber und Gewerkschaften sich darauf geeinigt, die Umlage zu erhöhen.

Friedliches Dänemark

Ähnlich friedlich verfährt Dänemark, das seit etwas mehr als 15 Jahren gute Erfahrungen mit einem Umlagesystem gemacht hat. Dort zahlen die Unternehmen ebenfalls in einen gemeinsamen Fonds ein, aus dem heraus die Unterstützung für jeden einzelnen Auszubildenden kommt: Dem ausbildenden Betrieb werden die Tage ersetzt, an denen der Jugendliche sich an der Berufsschule befindet, also nicht produktiv im Betrieb arbeiten kann. Und wenn Ende des Jahres festgestellt wird, dass die Zahl der Ausbildungsplätze nicht reicht, dann wird die Umlage erhöht, um überbetriebliche Ausbildungsplätze zu schaffen.

Dänemark und Frankreich sind nur zwei Beispiele von vielen, die international gute Erfahrungen mit einer Ausbildungsabgabe gemacht haben. So gibt es ähnliche Systeme in den Niederlanden, in Großbritannien und verschiedenen südeuropäischen Ländern. Zumeist wird von allen Betrieben ein finanzieller Obolus entrichtet, der aber durch Ausbildung wieder zurückgeholt werden kann. Überall, wo solch ein Umlagesystem angewendet wird, kann man positive Effekte messen. Denn die Betriebe bilden mehr Jugendliche aus als vorher, erklärt Gerhard Bosch vom Institut für Arbeit und Technik: "Sie versuchen, entweder das Geld im Betrieb zu halten, um es nicht an den Fonds abführen zu müssen oder sie versuchen Ausbildung und Weiterbildung durchzuführen, um vom Fonds Geld abzuziehen, weil letztlich Aus- und Weiterbildung im betrieblichen Interesse sind."

USA: Mehr Ausbildung mit Umlage

Sogar in den USA gibt es einige Bundesstaaten mit ähnlichen Einrichtungen. Auch hier lassen sich positive Effekte messen, meint Bosch: "Wo es ein Umlagesystem gibt, wird doppelt bis drei mal so viel ausgebildet wie in den Staaten, in denen es solche Systeme nicht gibt."

Diese internationalen Erfahrungen lassen sich nur bedingt auf Deutschland übertragen, da die einzelnen Ausbildungssysteme sich nur schwer vergleichen lassen. Dennoch lassen sich, so Bosch, Rückschlüsse für den deutschen Markt ziehen. So müsse man einfach feststellen, dass die Betriebe sich keinesfalls von ihren Verpflichtungen freikaufen würden. Und was in der aktuellen Diskussion in Deutschland untergeht: Solch ein Umlagesystem wird seit über 20 Jahren in der deutschen Bauwirtschaft mit Erfolg angewendet. Und dies ist die Branche, die mit Abstand am meisten ausbildet.