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Aleppo: Die Investoren kommen

Konstantin Klein
19. Oktober 2017

Aleppo liegt zu 80 Prozent in Trümmern. Doch der Wiederaufbau der syrischen Stadt wird schwierig: Der syrische Denkmalschutz hat wenig Einfluss, ausländische Investoren umso mehr, sagt der Historiker Mamoun Fansa.

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Weltkulturerbe Aleppo
Bild: Nünnerich-Asmus Verlag & Media GmbH

DW: Professor Fansa, seit 2013 engagieren Sie sich für den Wiederaufbau von Aleppo. Inzwischen ist es vier Jahre später; von Wiederaufbau kann keine Rede sein. Ist es schon an der Zeit, den Mut zu verlieren?

Mamoun Fansa: Nein, das darf man wirklich nicht, sonst verlieren wir alles. Solange ich lebe, solange ich noch irgendwie Ideen entwickeln kann, werde ich immer dafür kämpfen, dass die Altstadt von Aleppo UNESCO-gerecht wieder aufgebaut wird.

Nun ist ja Aleppo zu 80% oder mehr zerstört. Wie kann ein Wiederaufbau überhaupt aussehen?

Architekten und Stadtplaner haben da überhaupt kein Problem. Sie könnten sofort loslegen, aber sie kennen die Situation vor Ort nicht. Sie wissen gar nicht, was dort in Aleppo zur Zeit los ist. Es gibt dort zur Zeit unterschiedliche Entwicklungen, die wir von hier aus absolut nicht beeinflussen können.

Was sind das für Entwicklungen?

Grundstücke werden verkauft. Etliche Investoren aus dem Ausland sind gekommen; Chinesen, Russen, Libanesen und vor allen Dingen Iraner haben inzwischen etliche Grundstücke gekauft, ob nun mit Recht oder nicht, das wissen wir nicht. In Syrien spielen unterschiedliche Rechtsauffassungen bei solchen Angelegenheiten eine große Rolle. Es gibt in Syrien wie in den meisten islamischen Ländern sogenannte Waqf, also Stiftungen nach islamischem Recht. In der Altstadt von Aleppo gehören fast 60 Prozent der Immobilien solchen Waqf. Diese Waqf erlauben nicht einfach, dass Denkmäler verändert werden.

Es gibt natürlich auch das syrische Denkmalschutzgesetz; das ist aber nicht dafür geeignet, in Kriegssituationen angewandt zu werden. Viele Architekten und Stadtplaner planen einfach, ohne zu wissen: Da gibt es Hindernisse, die man vorher beseitigen muss.

Sie haben jetzt mehrere kritische Faktoren genannt, die Investoren aus dem Ausland, die syrische Regierung - wer macht Ihnen denn am meisten Sorgen?

Antike Oasenstadt Palmyra
Palmyra: Denkmalschutz unter Moskauer KontrolleBild: picture alliance/dpa/Y. Badawi/EPA

Die Investoren machen mir in dem Sinne keine Sorgen, sondern die syrische Regierung. Das Problem ist vor allen Dingen, dass in Syrien die Regierung überhaupt keine Macht hat. Was den Denkmalschutz angeht, wird nichts von Damaskus bestimmt, sondern zum großen Teil von Moskau und von Teheran. Nehmen Sie doch als Beispiel Palmyra. Palmyra wurde sozusagen zweimal befreit, und wer arbeitet in Palmyra? Nicht die Syrer, nicht die Kollegen, mit denen die Syrer am liebsten zusammenarbeiten würden; das wären auch die Deutschen, das Deutsche Archäologische Institut. Stattdessen haben die Russen festgelegt, dass polnische Experten die Restaurierung von Palmyra, den Wiederaufbau von Palmyra machen sollen. Auf der anderen Seite ist da die Burgruine Krak des Chevaliers am Mittelmeer, die wurde bei der Vertreibung der Rebellen durch Bomben zerstört. Nun hat Russland bestimmt, dass Ungarn die Restaurierung vornimmt.

Geht es dabei ums Geld oder um politischen Einfluss?

Um politischen Einfluss. Das heißt: Russland bestimmt, was mit diesem Land langfristig passieren soll. Die langfristige Steuerung durch Russland und den Iran - es ist inzwischen wirklich nicht zu übersehen. Das macht mir viel mehr Sorgen als die syrische Regierung, die keine großartige Macht in diesem Bereich hat.

Oder denken Sie an die Zerstörung der Altstadt von Hama zwischen Damaskus und Aleppo im Jahr 1982. Man hat die Altstadt komplett zerstört, weil sie von Rebellen besetzt gehalten war. Sie wurde damals nicht wieder aufgebaut, sondern man hat dort Hochhäuser gebaut.

Der Wiederaufbau der deutschen Städte nach dem 2. Weltkrieg musste ja in großer Eile geschehen wegen der Wohnungsnot; das Ergebnis sind ganze Viertel im Stil der fünfziger Jahre, die heruntergekommen sind, erneut saniert werden müssen. Steht Aleppo und anderen zerstörten Städten ein ähnliches Schicksal bevor?

Weltkulturerbe Aleppo
Aleppo: Wem gehören die Ruinen?Bild: Nünnerich-Asmus Verlag & Media GmbH

Das ist genau, was ich immer denke. Wir müssen, was Aleppo angeht, unterscheiden zwischen Altstadt und Neustadt. Die Neustadt kann rasch wieder aufgebaut werden. Die Leute brauchen ein Dach über dem Kopf, das muss man wirklich machen. Aber es muss in Koordination mit der Altstadt geschehen. Man kann nicht an der Stadtmauer der Altstadt von Aleppo gleich Hochhäuser bauen. Das geht doch gar nicht. Wie kriege ich das hin, die Altstadt und die Neustadt irgendwie in Einklang zu bringen? Das ist das, was wir hier planen können. Aber immer mit der Schwierigkeit, den Syrern, die eigentlich interessiert sind, mit uns zusammenzuarbeiten, klarzumachen: Das muss Hand in Hand gehen.

Die Denkmalpflege in Damaskus hat zwar Interesse, aber kein Geld; die konnten auch keine Leute dahinschicken, die das koordinieren können. Ohne starken Koordinierungsdruck aus Damaskus als Zentrale für Denkmalpflege wird das ziemlich chaotisch ablaufen.

Lässt sich eine Altstadt im historischen Stil, mit dem Flair, das sie mal gehabt hat, jemals rekonstruieren?

Mamoun Fansa Landesmuseum für Natur und Mensch in Oldenburg
Mamoun Fansa: "Nicht den Mut verlieren"Bild: picture-alliance/ dpa/I. Wagner

Nach den uns vorliegenden Plänen lassen sich 30 bis 40 Prozent wieder aufbauen, so wie es war. Mein Anliegen ist, die Grundstruktur, die Straßenführung, die bei der Gründung um 300 v.Chr. von Alexander dem Großen angelegt wurde, zu erhalten. Wenn wir das schaffen, die Einheit dieser Stadt auch durch die Straßenführung zu erhalten, dann haben wir ziemlich viel gewonnen. Und man muss dazu sagen: Die einzige Waffe, die ich auch öffentlich zeige, das ist, dass Aleppo von der UNESCO 1986 als Weltkulturerbe anerkannt wurde. Es muss nach UNESCO-Vorschriften wieder aufgebaut werden, sonst verlieren wir diesen Status.

Könnte es sein, dass Ihre Pläne, Ihre Ideen schon jetzt überholt sind, weil es ja doch anders kommen wird?

Nun ja, wir stehen auch mit anderen Organisationen, die in Syrien tätig sind, in Kontakt und versuchen, mit denen soweit wie möglich unsere Pläne zu koordinieren. Zur Zeit arbeiten wir mit der Aga-Khan-Stiftung zusammen, die ihre Verbindungen nach Syrien nie aufgegeben hat und jetzt auch Zeit und Geld investiert für die Altstadt von Aleppo. Aber das ist nur vielleicht 10 Prozent von dem, was man eigentlich machen kann. Und deshalb plädiere ich auch dafür, wenn Deutschland sich nicht offiziell durch die GIZ oder andere Organisationen in Aleppo engagieren will, das über Zivilorganisationen wie Vereine zu organisieren. Zur Zeit mangelt es wirklich an Geld. Und in diese Situation hinein kommen die Investoren, die aber überhaupt keinen Sinn für Denkmalschutz haben.

Mamoun Fansa lebt seit fünfzig Jahren in Deutschland und arbeitete u.a. als Direktor des Landesmuseums für Natur und Mensch in Oldenburg. Er ist Mitbegründer der Arbeitsgruppe "Aleppo - Strategies to rebuild Aleppo" des Vereins "Freunde der Altstadt von Aleppo", der das digitale Archiv der Stadt Aleppo unterhält. Er ist Autor des Buches "Aleppo - Ein Krieg zerstört Weltkulturerbe". Mamoun Fansa lebt in Berlin.

Das Interview führte Konstantin Klein