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Aldi für die Haare

Max Borowski6. August 2004

"Geiz ist Geil" wird von einer neuen Welle abgelöst: "No-Frills", zu Deutsch "kein Schnickschnack", heißt das neue Schlagwort der Konsumgüterindustrie.

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Markterschließung: Hauptsache billigBild: dpa
Friseur
Billiganbieter - jetzt auch im DienstleistungsbereichBild: Bilderbox

Die Preisliste des Friseursalons 'Cutters' ist übersichtlich: Waschen, Schneiden, Selber-Föhnen: 12 Euro; Kinder: 8 Euro; Föhnen, Styling und Färben jeweils 12 Euro, Pflege oder Strähnen kosten extra. Das war's. Auch die Einrichtung des Geschäfts in der Kölner Innenstadt ist spartanisch und Kunden müssen sich mit Dienstleistungen zufrieden geben, die auf das Minimum reduziert sind: dafür sind die Preise geldbeutelfreundlich. Die Kunden stört der Service-Minimalismus nicht: Zwar gebe es kein Verwöhnprogramm mit Kopfmassage, aber es gehe auch schneller, denn bei 'Cutters' herrscht großer Andrang.

Bei Männern kommt dieses Konzept ohnehin gut an, die wenigsten legen Wert auf zusätzlichen 'Verwöhnservice'. Sie sind froh, wenn es möglichst schnell geht. Und schnell muss es gehen bei Cutters, denn der günstige Preis rentiert sich nur, wenn möglichst viele Kunden bedient werden, wie Friseurin Gülsah Kayran erklärt: "Das Föhnen ist super aufwändig. Da steht man fast eine Stunde da, wenn eine Kundin lange Haare hat."

Minimalismus in allen Bereichen

Dass in den letzten Monaten nicht nur in der Friseurbranche, sondern im gesamten Dienstleistungssektor so genannte Billiganbieter auftauchen, überrascht den Wirtschaftswissenschaftler Roman Friedrich, der in einer Studie diese so genannten 'Low-Cost-Strategien' untersucht hat, nicht: Vorbild für den Dienstleistungssektor seien die Discounter im Handel und die Konsumgüterindustrie, wo Billiganbieter bereits feste Marktanteile erobert hätten.

Vorreiter Billigflieger

Ryanair Flugzeug in Brüssel
Ab 9 Euro pro Flug - billiger geht's nichtBild: AP

Danach hätte die Luftfahrtbranche – etwa Ryanair und easyjet - als Dienstleister den ersten Schritt in das Billigsegment gewagt: Andere Branchen ziehen nach. Autovermieter beispielsweise locken mit Angeboten von einem Euro pro Tag.

Die Firma "Berolina-Sarg-Discount" bietet Billigbestattungen an. Diese Liste lässt sich beinahe endlos fortsetzen. Gemeinsam ist allen die Beschränkung auf absolute Minimalleistungen, gespart wird zu einem Großteil beim Vertrieb, der meist über das Internet abgewickelt wird.

Auf der Suche nach neuen Kunden

Die Gründe für diese Strategie: "Es ist im Grunde genommen ein Zeichen der Marktsättigung. Für weiteres Wachstum braucht man nun andere Geschäftsmodelle, mit denen man neue Kundenkreise erschließt, die sich früher bestimmte Produkte nicht hätten leisten können. Das geht nur, wenn die Preise absenkt werden", erklärt Friedrich.

Junges Paar unterwegs in einem offenen Mercedes SLK Cabrio
Das gesparte Geld für Luxus ausgebenBild: Illuscope

Zweiter Trend: So genannte "Smart Shopper", die Luxuskonsum mit Schnäppchenjagd kombinieren. Friedrich: "Der beste Vergleich ist der gut situierte Aldi-Kunde, der es eben schick findet, günstig einzukaufen, auch wenn er die Möglichkeit hat, am nächsten Tag den teuren Champagner woanders zu kaufen."

Luxussegment ist rentabler

Die etablierten Wettbewerber sind den neuen Billig-Konkurrenten nicht schutzlos ausgeliefert. Sowohl große Konzerne als auch kleine Betriebe können strategisch auf die Billigkonkurrenz reagieren. Große Fluglinien steigen zum Beispiel mit Tochterunternehmen selbst in das Geschäft mit den Tiefstpreisen ein. Gleichzeitig versuchen sie, den eigenen Markennamen stärker als bisher in der so genannten Premium-Klasse zu etablieren.

Auch kleinen Dienstleistungsbetrieben, beispielsweise Friseuren, empfiehlt Friedrich, sich in diesem Hochpreis-Segment zu etablieren. Denn während immer weniger Kunden bereit sind, für einen gewöhnlichen Haarschnitt 25 Euro zu bezahlen, nimmt die Zahl derjenigen, die 50 Euro oder mehr in ein ausgefeiltes Verwöhnprogramm investieren, zu.